Aufbereitung eines Unterkiefer-Prämolars des Typs V mit VDW.ROTATE

Bereits vor vielen Jahren wurde gezeigt, dass die Anatomie der Wurzelkanäle äußerst komplex und vielfältig ist.1 Nach Vertucci verfügt der erste Unterkieferprämolar am Apex in 74,0 % der Fälle über einen Wurzelkanal, in 25,5% der Fälle über zwei Kanäle und in 0,5% der Fälle über drei Kanäle.2Dr. Vittorio Franco

/// Patientenfall
Eine 63-jährige Patientin wurde zwecks einer Wurzelbe- handlung an Zahn 44 an meine Praxis in London über- wiesen. Beim Kältetest zeigten sich keine Reaktionen am Zahn. Der Klopftest ergab eine leichte Überemp ndlich- keit. Die Patientin erwähnte, dass sie in der Vergangen- heit mehrfach unter bukkal geschwollener Gingiva gelit- ten hatte. In der Röntgenaufnahme waren eine breite ok- klusal-distale Kavität und eine J-förmige Radioluzenz im apikalen Bereich des Zahns erkennbar (Abb. 1). Der Wur- zelkanal war bis etwa 8 oder 9 mm vor dem Apex sicht- bar und verschwand dann. Ein solches Verschwinden liegt häu g bei einer Wurzelkanalkon guration des Typs V vor, bei der ein Wurzelkanal dem Pulpakavum entspringt und sich kurz vor dem Apex in zwei separate, eigenständige Wurzelkanäle mit separaten apikalen Foramina verzweigt (Klassi kation nach Vertucci3). Die Aufbereitung solcher Wurzelkanäle war mit der ersten Generation von Nickel- Titan-Feilen sehr schwierig und machte es erforderlich, viel gesundes Zahngewebe abzutragen, um einen direk- ten Zugang zu den Kanälen zu erhalten.

Das Pulpakavum wurde mit einem Highspeed-Handstück und einem Rosenbohrer geöffnet, bevor das Wurzelka-

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Abb. 1: Ausgangsröntgenbild

nalsystem mit einer 5 %igen Natriumhypochlorit-Lösung gespült wurde. Die Sondierung erfolgte mit einer vorge- bogenen C-PILOT® Feile in Größe ISO 10 (VDW). Die Son- dierung des bukkalen Kanals bereitete keine Probleme. Die Sondierung des lingualen Kanals war schwierig und erfolgte durch Drehen der Spitze der C-PILOT® Feile nach lingual. Dabei wurde die Feile etwa 10 mm unterhalb der Spitze verbogen (Abb. 2 und 3). Mithilfe eines Apexlo- kators (VDW.CONNECT Locate, VDW) und der C-PILOT®Feile wurden sofort vorläu ge Arbeitslängen bestimmt, die bei 20,5 und 21,0 mm lagen.

Bei Fällen mit abrupten Kanalkrümmungen im koronalen oder mittleren Drittel wird die Verwendung exibler Inst- rumente empfohlen, die eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber zyklischer Ermüdung aufweisen.

Die Widerstandsfähigkeit gegenüber zyklischer Ermü- dung ist von der für die Herstellung der Feile verwendeten Legierung und dem Kern der Feile abhängig. Deswegen habe ich mich dafür entschieden, diesen Zahn mit der Basissequenz des VDW.ROTATE Systems (VDW) aufzube- reiten. Die blaue Legierung verleiht dieser Feile eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber zyklischer Ermüdung und ermöglicht ein einfaches Vorbiegen der Spitze, um die Feile in die abrupte Kanalkrümmung im mittleren Drit- tel einzuführen (Abb. 4). Die Aufbereitung wurde mit den ersten beiden Instrumenten der Basissequenz begonnen. Dazu wurden die 15.04 und 20.05 Feilen gemäß den An- weisungen des Herstellers zu Drehmoment und Umdre- hungen pro Minute in leichten Auf- und Abbewegungen eingesetzt. Die gesamte Aufbereitung wurde mit VDW. CONNECT Drive (VDW) durchgeführt, der mit dem Apex- lokator vernetzt war. Die Arbeitslänge wurde kontinuier- lich kontrolliert. Die Instrumente, die im lingualen Kanal zum Einsatz kamen, waren vorgebogen und wurden ma- nuell in die Krümmung eingeführt. Anschließend wurde die Feile in den kleinen Kopf des VDW.CONNECT Drive Handstücks eingesetzt.

Um die Aufbereitung der endgültigen Arbeitslängen zu bestätigen, wurde mithilfe einer speziellen Halterung und der VDW.ROTATE 15.04 und 20.05 Feilen eine Röntgen- aufnahme erstellt (Abb. 5 und 6). Das letzte Instrument am Apex war – aufgrund ihrer Flexibilität und des (im Vergleich zur 25.06 Feile) geringeren Kerndurchmessers – die 25.04 Feile. Die Vorgehensweise entsprach der in den vorhergehenden Schritten.

Nach einer letzten Spülung mit EDTA-Lösung und Natri- umhypochlorit erfolgte die Aktivierung der Lösung mithilfe einer vorgebogenen EDDY Spülspitze (VDW, Abb. 7) für 20 Sekunden. Die Wurzelkanäle wurden anschließend ge- trocknet und mit AH Plus (Dentsply Sirona) und zwei form- kongruenten Guttapercha-Stiften gefüllt, die auf die VDW. ROTATE Instrumente (VDW) abgestimmt sind und aus ei- nem stärker hitzeleitenden Guttapercha mit einer niedrige- ren Schmelztemperatur bestehen, wobei bis zur Bifurkati- on die Continuous-Wave-Technik zum Einsatz kam.

Zur Überprüfung der Wurzelkanalfüllungen wurde eine Röntgenaufnahme erstellt (Abb. 8). Anschließend wurde mithilfe eines Glasfaser-Wurzelstifts ein Stumpfaufbau durchgeführt. Die endgültige Röntgenaufnahme zeigte, dass die Wurzelkanäle gut gefüllt waren, mit leichten Ex- trusionen des Sealers in das bukkale Foramen und den Seitenkanal (Abb. 9). Die Patientin wurde zwecks einer definitiven Versorgung des Zahns an ihren Zahnarzt über- wiesen. Um das Ergebnis der Behandlung zu überprüfen, wurde ein Kontrolltermin nach sechs Monaten vereinbart.

/// Fazit
Martensitische Feilen lassen sich leicht biegen und ermög- lichen es dem Zahnarzt – wenn sie vorgebogen sind – Stu- fen zu umgehen und auch stark gekrümmte Wurzelkanä- le des Typs V mechanisch aufzubereiten. Zudem weisen diese Feilen eine größere Widerstandsfähigkeit gegen- über zyklischer Ermüdung auf. Das VDW.ROTATE System enthält Feilen in verschiedenen ISO-Größen. Die Finishing Feilen verfügen mit .04 und .06 über zwei verschiedene Konizitäten. Die .04 Feilen können auch bei sehr schwie- rigen anatomischen Verhältnissen sicher eingesetzt wer- den, da sie aufgrund des geringeren Kerndurchmessers widerstandsfähiger gegenüber zyklischer Ermüdung sind.

Erstveröffentlichung ZMK 10/2019

Literatur:

  1. Hess & Zurcher 1925
  2. Vertucci F.J. Root canal morphology of mandibular premolars. J Am Dent Assoc. 1978 Jul;97(1):47-50.
  3. Vertucci F.J. Root canal anatomy of the human permanent teeth. Oral Surg, Oral Med, Oral Pathol. 1984;58:589-99.

 

 

AUTOR

Dr. Vittorio Franco
Harley Street Group Practice
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