Corona und Arbeitsverhältnis

Klaus-Dieter Franzen 

 

Das Corona-Virus breitet sich auch in Deutschland mehr und mehr aus, die Zahl der infizierten Personen steigt von Tag zu Tag. Immer mehr Bereiche des öffentlichen Lebens müssen eingeschränkt werden. Davon bleiben auch die Arbeitsverhältnisse nicht verschont.

 

Aus aktuellem Anlass werden deshalb nachstehend die wichtigsten Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien behandelt:

 

/// Dürfen sich Arbeitnehmer weigern, zur Arbeit zu kommen?

Ja, aber nur wenn in dem Betrieb eine Infektion festgestellt wurde und konkrete Ansteckungsgefahr besteht oder wie in Italien die Betriebsschließung behördlich angeordnet wird. Ansonsten kann das Nichterscheinen als Arbeitsverweigerung angesehen werden. Der Arbeitgeber wäre berechtigt, eine Abmahnung und ggf. auch eine Kündigung auszusprechen.

 

Liegt ein Infektionsverdacht vor, dürfen Arbeitnehmer von zu Hause arbeiten, wenn ihre Tätigkeit und ihre Wohnsituation das ermöglichen. Existiert ein Betriebsrat, muss er bei der Festlegung der Regelungen beteiligt werden (§ 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 6 BetrVG).

 

/// Darf der Arbeitgeber Arbeitnehmer anweisen, bestimmte Schutzmaßnahmen zu befolgen?

Ja, schon nach § 4 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird.

 

Diese Verpflichtung folgt ferner aus der für den Arbeitgeber bestehenden Fürsorgepflicht (§ 618 BGB). Die Arbeitnehmer sollten deshalb zumindest über bestehende Gesundheitsrisiken und Präventionsmaßnahmen informiert werden.

 

Schließlich darf der Arbeitgeber die Arbeitnehmer aus dem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht (§ 106 GewO) zur Befolgung von angemessenen Schutzmaßnahmen verpflichten. Auch hier gilt: sofern ein Betriebsrat besteht, muss dieser den Maßnahmen zugestimmt haben (87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7 BetrVG).

 

Der Arbeitgeber ist unter Umständen schadensersatzpflichtig, wenn er den Verpflichtungen nicht nachkommt.

 

/// Dürfen Arbeitgeber vor Zutritt zum Betrieb Fieber messen?

Bei betriebsfremden Dritten darf der Arbeitgeber in Ausübung seines Hausrechts den Zutritt zum Betrieb davon abhängig machen, dass der Besucher sich einer Fiebermessung unterzieht. Der Besucher, der dem nicht zustimmt, darf dann den Betrieb gar nicht erst betreten. Bei Arbeitnehmern, die zur Arbeitsleistung den Betrieb betreten müssen, ist auch deren Allgemeines Persönlichkeitsrecht zu beachten. Ob daher eine generelle Pflicht zum Fiebermessen in einer Pandemie-Situation wie vorliegend angeordnet werden kann, muss im Einzelfall beurteilt werden. Gibt es im Betrieb bereits Verdachtsfälle, war ein Arbeitnehmer in einem Risikogebiet oder ist das Unternehmen in einer Region gelegen, in der es besonders viele Infizierte gibt, sprechen gute Argumente für ein derartiges Vorgehen. Hier bleibt auch die weitere Entwicklung der Epidemie zu beachten.

 

Wichtig ist, dass die Messdaten aus einer Fiebermessung nicht gespeichert werden dürfen. Für die Frage der Zutrittsgewährung ist dies nicht notwendig, zumal es sich um besonders sensible Gesundheitsdaten iSv. § 26 Abs. 3 BDSG handelt. Auch ist ein bestehender Betriebsrat bei der Einführung und Durchführung einer Fiebermessung zu beteiligen.

 

 

 

/// Darf der Arbeitgeber Arbeitnehmer nach Hause schicken?

Ja, das ist grundsätzlich möglich. Allerdings muss die vertraglich vereinbarte Vergütung auch für die Zeit der Freistellung geleistet werden (§ 615 BGB).

 

Die Tätigkeit im Home-Office kann der Arbeitgeber anweisen, wenn der Arbeitsvertrag eine solche Regelung vorsieht. Ist das nicht der Fall, muss der Arbeitnehmer zustimmen. Zeigt der Arbeitnehmer Symptome einer Infektion, ist der Arbeitgeber sogar verpflichtet, ihn nach Hause zu schicken.

 

/// Gibt es ein Recht auf Home-Office?

Home-Office kann einseitig grundsätzlich nicht angeordnet werden. Der Arbeitnehmer hat hierauf auch regelmäßig keinen Anspruch. Es darf daher nur im Home-Office gearbeitet werden, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich gemeinsam hierauf verständigen. Ausnahmen gelten dann, wenn bereits zuvor eine entsprechende Vereinbarung über Home-Office-Arbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffen wurde oder mit dem Betriebsrat eine für den Betrieb geltende Betriebsvereinbarung zur Arbeit im Home-Office vereinbart ist.

 

/// Kann der Arbeitgeber verlangen, dass Arbeitnehmer während einer Zwangspause Urlaub nehmen?

Nein, grundsätzlich nicht. Es wäre denkbar, dass der Arbeitgeber Betriebsferien anordnet, die Arbeitnehmer müssten dann zumindest einen Teil ihres Jahresurlaubs dafür nehmen. Voraussetzung wäre aber, dass der Arbeitgeber die Betriebsferien rechtzeitig ankündigt. Eine spontane Ankündigung ist nicht rechtens. Im Übrigen wäre auch hier der Betriebsrat zu beteiligen (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG).

 

/// Darf der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnen?

Ja, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Kurzarbeit kann zum Beispiel erforderlich sein, wenn aufgrund des Corona-Virus Lieferungen ausbleiben und dadurch die Arbeitszeit verringert werden muss oder behördliche Schutzmaßnahmen dafür sorgen, dass der Betrieb vorrübergehend geschlossen wird. Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld ist, dass die üblichen Arbeitszeiten vorübergehend wesentlich verringert sind. Die Bundesregierung will den Bezug und die Bezugsdauer erleichtern.

 

Um Kurzarbeit anordnen zu dürfen, braucht der Arbeitgeber aber eine Rechtsgrundlage. Die ergibt sich aus einem einschlägigen Tarifvertrag oder aus einer mit dem Betriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarung oder dem jeweiligen Arbeitsvertrag. Der Betriebsrat hat mitzubestimmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG).

 

/// Muss der Arbeitgeber Schutzkleidung stellen?

Aufgrund der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht gem. §§ 611a, 618, 241 II BGB ist der Arbeitgeber verpflichtet, seine Arbeitnehmer vor Gefahren für deren Gesundheit zu schützen. Hierzu kann im Einzelfall – etwa bei einer Tätigkeit von medizinischen Fachpersonal in einer Arztpraxis – auch das Stellen von Mundschutz und Handschuhen gehören. Ob und inwieweit derartige Pflichten bestehen, hängt von einer konkreten Gefährdungslage und weiteren Entwicklung ab. Ob Arbeitnehmer, die Publikumskontakt haben, sich selbst mit Schutzkleidung versorgen und mit Mundschutz und Handschuhen zur Arbeit erscheinen dürfen, hängt ebenfalls von der jeweiligen Tätigkeit ab. Solange die Empfehlungen der Gesundheitsbehörden dies nicht ausdrücklich empfehlen, kann der Arbeitgeber hier nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen unter Berücksichtigung des Risikos des Arbeitsplatzes Vorgaben machen. Auch hierbei ist aber ein bestehender Betriebsrat zu beteiligen (§§ 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7 BetrVG).

 

 

/// Welche Leistungen erhalten infizierte Arbeitnehmer?

Ist der Arbeitnehmer am Corona-Virus erkrankt, erkrankt und ist zugleich von den Behörden ein Beschäftigungsverbot angeordnet worden, konkurriert der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers mit dem Entschädigungsanspruch aus dem Infektionsschutzgesetz. Der Anspruch aus dem Infektionsschutzgesetz geht vor. 

 

Die Arbeitnehmer erhalten eine Entschädigungszahlung. Diese wird in den ersten sechs Wochen in Höhe des Verdienstausfalls gewährt (§ 56 Abs. 2 IfSG). Ab der siebten Woche wird sie in Höhe des Krankengeldes gezahlt. Das Krankengeld beträgt 70 Prozent des Bruttoverdienstes, aber nicht mehr als 90 Prozent des Nettogehalts. Die Auszahlung erfolgt über den Arbeitgeber, der sich dann das Geld von der zuständigen Behörde zurückholt. Dazu muss der Arbeitgeber einen Antrag stellen.

 

Achtung: Zuschüsse die der Arbeitgeber freiwillig zahlt, werden auf die Entschädigungsleistung angerechnet (§ 56 Abs. 8 Satz Nr. 1 IfSG).

 

/// Haben die Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Vergütung, wenn Quarantäne angeordnet wurde?

Nein, in diesem Fall springt aber die öffentliche Hand ein. Die betroffenen Arbeitnehmer haben den gleichen Anspruch auf Entschädigungszahlungen, wie infizierte Arbeitnehmer.

 

/// Dürfen Arbeitnehmer zu Hause bleiben, wenn Schulen oder Kitas schließen?

Nein, das sieht schlecht aus. Das Risiko tragen die betroffenen Arbeiternehmer. Sie müssen für die Kinderbetreuung sorgen. Oder Urlaub nehmen bzw. sich unbezahlt von der Arbeit freistellen lassen.

 

Ist das Kind allerdings erkrankt, hat ein Elternteil gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf unbezahlte Freistellung und gegenüber der Krankenkasse auf Zahlung von Krankengeld (§ 45 SGB V).

 

/// Darf der Arbeitgeber vorschreiben, wo die Arbeitnehmer Urlaub machen?

Nein, das ist grundsätzlich Privatsache der Arbeitnehmer. Dieser Grundsatz gilt auch für Reisen in Risikogebiete. Allerdings kann der Arbeitnehmer verpflichtet sein, den Arbeitgeber davon zu unterrichten. Dies gilt besonders, wenn im unmittelbaren Umfeld des Arbeitnehmers ein Infektionsverdacht besteht.

 

Kehren Arbeitnehmer aus einem Risikogebiet zurück, kann der Arbeitgeber sicherheitshalber anordnen, dass die Arbeitnehmer zu Hause bleiben müssen, um eine etwaige Ansteckung auszuschließen. Allerdings muss der Arbeitgeber auch in diesem Fall die Vergütung für diese Zeit weiterzahlen.

 

/// Was ist, wenn der Arbeitnehmer in ein Land reist, für das eine Reisewarnung bestand?

Infiziert sich der Arbeitnehmer in einem Reisegebiet, für das vor seiner Abreise bereits eine konkrete Reisewarnung des Auswärtigen Amtes bestand, könnte ihm Verschulden entgegengehalten werden. In diesem Fall bestünde keine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers.

 

/// Gibt es Erleichterungen bei der „Krankschreibung“, wenn eine Erkältung vorliegt?

Ja, als Maßnahme gegen die Ausbreitung des Corona-Virus dürfen Ärzte Patienten mit einer Erkältung jetzt auch befristet nach telefonischer Diagnose bis zu sieben Tage krankschreiben. Die Sondererlaubnis gilt vorerst für vier Wochen. Darauf haben sich die Kassenärztliche Vereinigung und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung geeinigt.

 

– AUTOR

Klaus-Dieter Franzen
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

 

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