Darf eine Zahnarztpraxis sich als „Zahnspezialisten“ bezeichnen?

 

Mit dieser Frage hatte sich das OLG München beschäftigt (Urteil vom 05.03.2020, 29 U 830/19). Eine Gemeinschaftspraxis, die die Bezeichnung „Zahnspezialisten“ im Praxisname führte, wurde vom zahnärztlichen Bezirksverband Niederbayern auf Unterlassung verklagt. Diese hielt die Bezeichnung für irreführend, weil nach ihrer Auffassung der Eindruck entstehe, dass die Praxis und ihre Mitarbeiter über weitergehende Spezialisierungen verfüge, die über die allgemeine zahnärztliche Approbation hinausgehen, obwohl dies nicht der Fall war. Zu Recht?

Jennifer Jessie

 

Das Landgericht Passau gab dem Bezirksverband noch Recht und verurteilte die Praxis, die Verwendung der Bezeichnung als Praxisname, Internetdomain oder als Werbemittel zu unterlassen. Das OLG München sah die Sache jedoch anders und hob das Urteil auf.

 

Entgegen der Annahme des Landgerichts entschied das OLG München, dass die Bezeichnung als „Zahnspezialisten“ durch die Gemeinschaftspraxis nicht irreführend ist. Im Ergebnis überzeugend argumentierten die Richter, dass die angesprochenen Verkehrskreise durch die Bezeichnung von der Praxis und den beklagten Zahnärztinnen nicht mehr erwarten, als was sie tatsächlich erbringen, nämlich zahnärztliche Leistungen. So führte das Gericht u.a. aus:

 

„b) Die angesprochenen Verkehrskreise entnehmen der Bezeichnung „Zahnspezialisten“ nicht die i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG irrführende Aussage, dass die Bekl. und ihre Mitarbeiter Fachleute sind, die über besondere Erfahrungen in einem engeren medizinischen Bereich als der allgemeinen Zahnheilkunde verfügen.

 

Nach dem Verkehrsverständnis handelt es sich bei einem Spezialisten zwar um jemanden, der aufgrund spezieller theoretischer Kenntnisse und spezieller praktischer Erfahrungen auf dem jeweiligen Gebiet über Fähigkeiten verfügt, die über diejenigen hinausgehen, die allgemein von einem entsprechenden Berufsträger erwartet werden können, der also zu einer entsprechenden Spitzengruppe gehört (…) Hinzu kommt, dass sich eine Spezialist nach der Verkehrsauffassung in erheblichem Umfang, wenn nicht gar ausschließlich auf sein Fachgebiet konzentriert und daher andere Gebiete nicht in gleichem Umfang bearbeitet (…).

 

Der vorliegende Fall weist aber die Besonderheit auf, dass die Bekl. die so verstandene Bezeichnung „-spezialisten“ mit dem allgemeinen Begriff „Zahn-„ kombinieren, so dass nach der Verkehrsauffassung schon kein spezielles Teilgebiet ausgewiesen ist, auf dem besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen vorhanden sind oder auf das sich die Bekl. bei ihrer Tätigkeit besonders konzentrieren. Infolgedessen entnimmt der Verkehr der Bezeichnung nur einen allgemeinen Hinweis auf eine Zahnarztpraxis ohne besonderen Tätigkeitsschwerpunkt und ohne wirkliches Spezialgebiet der Inhaberinnen. Er geht nicht davon aus, dass mit der Bezeichnung eine besondere zahnärztliche Spezialisierung herausgestellt werden soll, deren konkrete Ausgestaltung bei der Wahl des Begriffs nur offen gelassen wurde. Vielmehr nimmt er an, dass die Bekl. nicht mehr und nicht weniger sind als Zahnärztinnen mit einer normalen zahnärztlichen Approbation nach §§ 1 Abs. 1 S. 1, 3 ZahnheilkG i.V. mit der Zahnärzteapprobationsordnung (ZAppO). Der Eindruck einer Spezialisierung, insbesondere in Form von durch mehrjährige Weiterbildung erlangte Gebietsbezeichnungen als Fachzahnärztinnen, wird für den angesprochenen Verkehr nicht erweckt, da ein Fachgebiet durch die Bezeichnung gerade nicht ausgewiesen wird.

 

  1. b) Die Verwendung der Bezeichnung „Zahnspezialisten“ ist auch nicht wegen einer Werbung mit Selbstverständlichkeiten für die angebotenen Dienstleistungen irrführend i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG.

 

(…)

 

Nach dem oben Gesagten ist dem angesprochenen Verkehr klar, dass die durch die angegriffene Bezeichnung beworbenen zahnärztlichen Leistungen von zwei Zahnärztinnen mit normaler Approbation und ohne wirkliche Spezialisierung oder zusätzliche Gebietsbezeichnung erbracht werden. (…) Trotz der Formulierung „Zahnspezialisten“ ist für den angesprochenen Verbraucher offenkundig, dass er von den Bekl. keine Leistungen erwarten darf die über diejenigen hinausgehen, die normale Zahnärztinnen erbringen. Die Selbstverständlichkeit besteht in der Spezialisierung auf Zähne („Zahnspezialisten“), da sich alle Zahnärztinnen auf Zähne spezialisieren. Dem Verkehr ist das jedoch bewusst weil es weiß, dass Zahnärztinnen dies tun. Er wird folglich nicht in die Irre geführt. (…)“

 

/// Praxistipp

Immer wieder wird über die Frage gestritten, ob und wie Zahnärzte mit oder ohne bestimmte Fachgebietsbezeichnung nach außen auftreten dürfen. Auch wenn solche Verfahren für Zahnärzte mühselig sein können, zeigt dieser Fall, dass es sich lohnen kann, grundlegende Fragestellungen auch mal gerichtlich auszudiskutieren. Denn nicht jeder strenge Auslegungsmaßstab der Zahnärztekammern ist immer richtig. Zahnärzte sind nun mal auf Zähne spezialisiert. Der angesprochene Verkehrskreis, also potentielle Patienten, erwarten nicht mehr und nicht weniger als einen approbierten Zahnarzt oder eine approbierte Zahnärztin, wenn im Praxisname die Bezeichnung „Zahnspezialisten“ verwendet wird, ohne dass auf ein bestimmtes Teilgebiet verwiesen wird. Es ist daher nur richtig, dass eine Irreführung und damit ein Wettbewerbs- und Berufsrechtsverstoß in diesem Fall verneint wurde. 

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Jennifer Jessie
Rechtsanwältin

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