Der Weg in die Selbstständigkeit – Praxisübernahme richtig vorbereiten und gestalten

 

Wer sich in eigener Praxis niederlassen möchte, kann dies auf zwei Wegen tun: Er kann eine neue Praxis gründen oder im Wege der Praxisübernahme eine bestehende Praxis übernehmen. In der letzten Ausgabe („Wenn es Zeit wird zu gehen –  Praxisübergabe richtig vorbereiten und gestalten“)haben wir die Praxisübergabe im Wesentlichen aus dem Blickwinkel eines Praxisabgebers einer Einzelpraxis beleuchtet. Viele der dort angesprochenen Punkte sind auch für den Praxisübernehmer relevant und spielen auch bei Kooperationsmodellen eine Rolle. Im nachfolgenden Beitrag widmen wir der Sicht eines niederlassungswilligen Praxisübernehmers und beleuchten ein paar wesentliche Punkte, die für die Entscheidungsfindung von elementarer Bedeutung sind.

Jennifer Jessie

 

/// Praxisformen

Zunächst einmal muss jeder Niederlassungswillige sich mit der Überlegung befassen, wie er zukünftig seine zahnärztliche Tätigkeit in eigener Praxis ausüben möchte. Es gibt nämlich verschiedene Formen der Berufsausübung. Die richtige Wahl hängt sowohl von der eigenen Persönlichkeit ab und von den eigenen unternehmerischen Fähigkeiten ab. Darüber hinaus spielt es eine Rolle, welches Modell zum eigenen Lebensstil passt.

 

Eine Praxis kann zum Einen als klassische Einzelpraxis betrieben werden. In diesem Fall ist der niedergelassene Zahnarzt allein für alle unternehmerischen Entscheidungen sowie für seine zahnärztliche Tätigkeit verantwortlich.

 

Darüber hinaus gibt es verschiedene denkbare Kooperationsmöglichkeiten. So gibt es die Möglichkeit eine Berufsausübungsgemeinschaft zu gründen. In diesem Fall schließen sich mehrere niederlassungswillige Zahnärzte zur gemeinsamen zahnärztlichen Tätigkeit in gemeinsamen Praxisräumen, mit gemeinsamer Praxiseinrichtung und gemeinsam geführten Personal sowie einer gemeinsam geführten Patientenkartei zusammen. Möchte man dagegen nur die Praxisräumlichkeiten und die Praxiseinrichtungen gemeinsam nutzen, die Patienten allerdings getrennt und eigenverantwortlich mit eigener Patientendokumentation behandeln und betreuen, ist eine Praxisgemeinschaft die richtige Kooperationsform. Eine Praxisgemeinschaft ist ein rein organisatorischer Zusammenschluss von Zahnärzten. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, ein zahnärztliches Medizinisches Versorgungswerk (MVZ) zu gründen. Hierbei handelt es sich um eine zahnärztlich geleitete Einrichtung, in denen die Zahnärzte als Angestellte oder Vertragszahnärzte tätig sind.

 

Die Ausgestaltung der verschiedenen Kooperationsmöglichkeiten ist in Form einer Personengesellschaft (GbR), Kapitalgesellschaft (GmbH) oder einer Genossenschaft möglich. Für welche Kooperationsform man sich auch entscheidet, in jedem Fall müssen hierfür auch Gesellschaftsverträge zwischen den kooperierenden Kollegen geschlossen werden, in denen Umfang und Zweck der Kooperation sowie Entscheidungsbefugnisse eindeutig geregelt sind. Darüber hinaus sind zulassungsrechtliche und steuerrechtliche Aspekte zu beachten. Um hier für die gewünschte Kooperationsform die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, ist es unumgänglich, sich im Vorfeld sowohl rechtlich auch als auch steuerlich umfassend beraten zu lassen.

 

/// Warum eine Praxis übernehmen?

Die Übernahme einer bereits bestehenden Praxis statt einer Neugründung kann aus Sicht des Niederlassungswilligen von Vorteil sein. Erkann durch die Übernahme in vollem Umfang von den bereits bestehenden Praxisstrukturen profitieren. Es sind bereits Praxisräumlichkeiten vorhanden und eingerichtet und mit zur Berufsausübung nötigem Material ausgestattet. Weiterhin ist das Mitarbeiter-Team eingespielt und die Praxis weist in der Regel einen festen Patientenstamm auf. Gründet man hingegen eine neue Praxis, muss man erst entsprechende Räumlichkeiten finden, ggf. umbauen und man muss neue qualifizierte Mitarbeiter gewinnen und sich einen neuen Patientenstamm aufbauen. Die Schaffung einer geeigneten Infrastruktur ist also mit zusätzlichen Herausforderungen und Aufwand verbunden. Vor diesem Hintergrund sprechen mehrere, sowohl ideelle als auch finanzielle Gründe dafür, die Strukturen einer bereits bestehenden Praxis zu übernehmen.

 

/// Legal Due Diligence

Im Falle eine Praxisübernahme ist es wichtig, alle Chancen und Risiken, die mit dem Praxiskauf einhergehen, zu kennen. Es ist daher im ureigenen Interesse des übernehmenden Zahnarztes, sich über alle bestehende rechtliche Beziehungen und Verpflichtungen, über die Praxisausstattung und die technische Einrichtung der Praxis umfassend zu informieren.

 

Deshalb sollte vor der Gestaltung des Praxisübernahmevertrags seitens des Interessenten eine Legal Due Diligence vorgenommen werden. Hierbei handelt es sich um eine rechtlich eingehende Prüfung eines zum Verkauf stehenden Unternehmens durch den Käufer. Hierdurch gewährt der abgabewillige Zahnarzt dem Interessenten Einblicke in die bestehenden Praxisstrukturen und ermöglicht auch die sorgfältige Prüfung der relevanten Dokumente, insbesondere in laufende Verträge. Der Praxisübernehmer kann dadurch die mit dem Praxiskauf einhergehenden Verbindlichkeiten und etwaigen Risiken abschätzen und einkalkulieren, um sich insofern auch für etwaige Risiken abzusichern. So kann der übernehmende Zahnarzt z.B. auf die Vereinbarung von Garantieregelungen hinwirken, sodass der übergebende Zahnarzt bestimmte Umstände mittels Garantieerklärung zusichert.

 

/// Prüfung bestehender Arbeitsverhältnisse

Gerade wenn mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernommen werden, die schon seit vielen Jahren in der Praxis tätig sind, muss man sehr genau wissen, wie weit das Weisungsrecht nach dem Arbeitsvertrag reicht, welche Gehälter bezahlt werden, ob jemand gerade in Elternzeit ist und daher das Arbeitsverhältnis nur für eine gewisse Zeit ruht, wie viele Urlaubstage im Einzelfall vereinbart sind und ob vielleicht sogar Gratifikationen gewährt werden. Es kann durchaus vorkommen, dass aufgrund von Altverträgen langjährige Mitarbeiter mit dem bisherigen Praxisinhaber z.B. 35 Urlaubstage oder mehr vereinbart haben. Hier sollte der Praxisübernehmer sich also auch genau überlegen, ob er das auch in Zukunft mittragen kann und möchte, denn an die übernommenen Arbeitsverhältnisse ist er erstmal gebunden.

 

/// Keine Kündigung wegen der Praxisübernahme

Wie bereits in der letzten Ausgabe dargestellt, gehen die bestehenden Arbeitsverhältnisse auf den Praxiserwerber kraft Gesetzes über, sodass der Übernehmer mit der Praxisübernahme nunmehr neuer Arbeitgeber der Angestellten wird, sofern diese nicht wirksam widersprechen (§ 613a BGB). Eine Kündigung ist sowohl für den Praxisübernehmer als auch für den Praxisabgeber daher auch nicht ohne Weiteres möglich. In § 613a Abs. 4 BGB ist ausdrücklich geregelt, dass die Kündigung des Übernehmenden wegendes Betriebsübergangs unwirksam ist. Der Betriebsübergang darf also gerade nicht zum Anlass genommen werden, sich von bestimmten Mitarbeitern zu trennen. Alle Arbeitnehmer, auch Auszubildende, werden hier besonders geschützt.

 

Der Praxisübernehmer hat lediglich die Möglichkeit, nach den allgemeinen Grundsätzen eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung auszusprechen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen dafür vorliegen. In Betracht kommt daher nur eine personenbedingte und verhaltensbedingte Kündigung. Möglich ist grundsätzlich auch eine betriebsbedingte Kündigung, wenn dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung nach allgemeinen Grundsätzen rechtfertigen können. Verboten ist es allerdings, Umgehungstatbestände zu schaffen, die dem besonderen Schutzzweck des § 613a BGB zuwiderlaufen. Dies wäre rechtsmissbräuchlich. Eine Kündigung, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer Praxisübernahme liegt, wird daher sehr streng beurteilt und kann nur dann erfolgreich sein, wenn personenbedingte, verhaltensbedingte oder betriebsbedingte Gründe wahrhaftig vorliegen und bewiesen werden können.

 

/// Individuelle Änderungen in bestehenden Arbeitsverträgen?

Wenn man die zu übernehmenden Arbeitsverträge gleichwohl in einzelnen Regelungspunkten anpassen möchte, wird dies nur im Rahmen einer einvernehmlichen Vertragsabrede möglich sein. Etwaige Änderungen des bestehenden Arbeitsvertrags sind stets nur im Einverständnis beider Parteien möglich. Insofern muss der Praxisübernehmer nicht nur die bestehenden Verträge kennen, er muss zudem für sich ein Personalkonzept entwickeln, wie er mit den wesentlichen Kernthemen wie z.B. Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub in Zukunft umgehen möchte. Schließlich braucht es die richtige Ansprache und Verhandlungsgeschick, um gewünschte Änderungen einvernehmlich zu vereinbaren.

 

/// Vertragszahnarztrechtliche Schritte

Verfügt der übernehmende Zahnarzt noch nicht über eine vertragszahnärztliche Zulassung, ist die Zulassung rechtzeitig bei der zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung zu beantragen.

 

Im Rahmen des Antragsformulars kann regelmäßig angegeben werden, dass es sich um eine Praxisübernahme handelt. Weiter ist anzugeben, wer der abgebende Zahnarzt ist und in welcher Form die Praxis bisher geführt wird.

 

Die Wirksamkeit des Praxisübernahmevertrags sollte von der Erteilung der Zulassung abhängig gemacht werden. Es kann dazu eine aufschiebende Bedingung im Praxisübernahmevertrag vereinbart werden.

 

Der abgebende Zahnarzt muss im Umkehrschluss auf seine vertragszahnärztliche Zulassung verzichten, § 95 Abs. 7 SGB V, § 28 Zulassungsverordnung für Zahnärzte. Der Verzicht ist ebenfalls gegenüber dem Zulassungsausschuss der Kassenzahnärztlichen Vereinigung zu erklären. Es besteht die Möglichkeit, dass die Verzichtserklärung unter die aufschiebende Bedingung gestellt wird, dass es zu einer bestandskräftigen Nachbesetzung der Zulassung kommt. Gemäß § 28 Abs. 1 der Zulassungsverordnung für Zahnärzte wird der Verzicht auf die Zulassung mit dem Ende des auf den Zugang der Verzichtserklärung des Vertragszahnarztes beim Zulassungsausschuss folgenden Kalendervierteljahres wirksam.

 

Eine einmal abgegebene Verzichtserklärung kann nur in wenigen seltenen Fällen rückgängig gemacht werden. Unter engen Voraussetzungen ist ein Widerruf oder die Anfechtung der Erklärung möglich.

 

/// Sanfter Übergang

Regelmäßig macht es Sinn, die Praxis nicht von heute auf morgen, also von 0 auf 100 am Tag X zu übernehmen, sondern einige Zeit vorher in der Praxis als angestellter Zahnarzt tätig zu werden oder umgekehrt, den Praxisabgeber nach der Übernahme für einige Zeit als angestellten Zahnarzt weiter zu beschäftigen. Wie man es vereinbart, ist letztlich Typ- und Verhandlungssache. Wichtig ist, dass sowohl der Abgeber als auch Übernehmer hier an einem Strang ziehen und die Einzelheiten auch vertraglich sauber geregelt werden. Sicher ist, dass man auf diese Weise einen sanften Übergang für alle Beteiligten ermöglichen kann und damit für Sicherheit und Vertrauen sorgt. Der Praxisübernehmer kann sich mit der Praxis und den eingespielten Praxisabläufen vertraut machen und die Patienten haben die Möglichkeit, den neuen Inhaber kennenzulernen, um auch in Zukunft gerne wieder in die Praxis zu kommen. So hat der Praxisübernehmer auch die Möglichkeit, den bestehenden Patientenstamm zu erhalten.

 

/// Fazit

Zahnärzte, die selbstständig in eigener Praxis tätig werden wollen, müssen für sich erstmal entscheiden, ob sie als Einzelkämpfer oder im Team mit weiteren Kollegen ihren Beruf ausüben möchten. Im Falle einer Praxisübernahme müssen Niederlassungswillige in jedem Fall umfassend wissen, was auf sie zukommt. Eine rechtlich eingehende Prüfung einer zum Verkauf stehenden Praxis (Legal Due Diligence) ist daher unumgänglich, um die mit der Übernahme eingehenden Verbindlichkeiten und Risiken richtig einschätzen und einkalkulieren zu können. Daneben müssen viele zulassungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt werden und steuerliche Belange Berücksichtigung finden, die gerade beim Ersteinstieg regelmäßig nicht bekannt sind. Die Parteien haben einerseits einen großen Gestaltungsspielraum, eine Praxisübernahme zu regeln, andererseits gibt es zwingende rechtliche Vorgaben, so z.B. im Bereich Personal, die beachtet werden müssen. Gehen Sie daher lieber prophylaktisch an das Thema heran und lassen sich bereits im Vorfeld gut beraten und begleiten, bevor Sie einen Vertrag unterzeichnen. Der Mut zur Selbstständigkeit wird belohnt, wenn es von Anfang an richtig gemacht wird.

 

– AUTORIN
– Jennifer Jessie · Rechtsanwältin

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