Dringender Handlungsbedarf in der Arbeitszeiterfassung

Volker Görzel

Kommt nun die Stechuhr 4.0?

Arbeitgeber sollen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet werden, die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten systematisch und lückenlos zu erfassen. Das Urteil schlägt bereits jetzt große Wellen und könnte immense Auswirkungen auf den Arbeitsalltag in Deutschland haben. Doch was bedeutet das Urteil genau und welche Auswirkungen hat es im Detail?

Volker Görzel

Längst nicht in allen Branchen werden Arbeitszeiten systematisch erfasst. Bislang waren Arbeitgeber lediglich verpflichtet, Überstunden zu dokumentieren, also jede zusätzliche Arbeitsstunde nach acht Stunden zu erfassen.

Die Mitgliedsstaaten der EU müssen nun Arbeitgeber verpflichten, Systeme zur Arbeitszeiterfassung einzurichten. Ziel ist es, die Einhaltung von Höchstarbeitszeitgrenzen und Ruhezeiten durch die Arbeitszeiterfassung zu wahren. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass Beschäftigte pro Woche maximal 48 Stunden arbeiten und täglich elf Stunden Ruhezeit am Stück bekommen.

Auch Heimarbeit und Außendienst müssen nach dem Urteil künftig registriert werden, jede E-Mail und jedes berufliche Telefonat könnten aufzeichnungspflichtig werden.

Wie die Arbeitszeiterfassung zu erfolgen hat, ist noch unklar. Das Urteil lässt dem nationalen Gesetzgeber Spielräume für bestimmte Unternehmen. Bundesarbeitsminister Heil hat bereits angekündigt, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zügig umsetzen zu wollen. Die Möglichkeiten reichen von elektronischen Chipkarten bis zu Programmen auf dem Smartphone, in kleinen Betrieben könnten auch händische Aufzeichnungen eine Alternative sein.

Sicher ist aber bereits, dass sich viele Unternehmen zur genauen Erfassung der Arbeitszeiten jetzt umstellen müssen!

Außerdem muss – soweit vorhanden – der Betriebsrat zwingend dem Arbeitszeiterfassungssystem zustimmen. Gegebenenfalls sind darüber Betriebsvereinbarungen abzuschließen.

 

/// Definitionen zur Arbeitszeit

Die Arbeitszeit ist der Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss. Genau genommen definiert sie sich als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit, abzüglich der Ruhepausen. Beginn und Ende werden nicht näher definiert. Des weiteren kann durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag die Arbeitszeit individuell geregelt werden. Zur Arbeitszeit zählen: die Arbeitsbereitschaft, der Bereitschaftsdienst, die Rufbereitschaft, die Wegezeiten, Dienstreisezeit, Nachtarbeitszeit, Nachtarbeit, Mehrarbeitszeit, Schichtzeit und die gleitende Arbeitszeit.

Ruhepausen sind im Voraus festgelegte Zeiten der Arbeitszeitunterbrechung. Dementgegen gehören die sogenannten Kurzpausen, die der Arbeitnehmer in teil- oder vollmechanisierten Betrieben nach freiem Ermessen nehmen kann, nicht zu den Pausen. Sie zählen zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Entsprechendes gilt auch für Betriebspausen, bei denen es sich um Unterbrechungen der Arbeit aus technischen Gründen handelt.

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Volker Görzel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

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