Ermunterung zum Zahnarztwechsel durch Krankversicherung ist wettbewerbswidrig

Das Oberlandesgericht Dresden hat mit Urteil vom 09.10.2020(AZ: 14 U 807/20) entschieden, dass private Krankenversicherer nicht durch finanzielle Anreize versuchen dürfen, Patienten zu einem Wechsel ihres Zahnarztes zu bewegen. Dieses Verhaltenstellt ein wettbewerbswidriges Abfangen von Patienten dar und greift unzulässig in die freie Arztwahl ein.

Jennifer Jessie

 

Eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis mit eigenem Praxislabor hat einen privaten Krankenversicherer einer Patientin geklagt, der nach der Einreichung des Heil- und Kostenplans versucht hatte, diese durch finanzielle Anreize zu einem Zahnarztwechsel zu bewegen. Die Gemeinschaftspraxis forderte den Krankenversicherer zur Unterlassung auf. Dies mit Erfolg.

 

/// Der Fall: Ankündigung von Vorteilen bei Behandlung durch Gesundheitspartner

Nachdem eine Patientin den Heil- und Kostenplan der Gemeinschaftspraxis für eine geplante zahnärztliche Behandlung an ihre private Krankenversicherung übersandt hatte, erhielt sie ein Schreiben der Versicherung, mit der Aufforderung weitere Kostenvoranschläge einzureichen. Darüber hinaus schrieb die Versicherung:

 

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Die Gemeinschaftspraxis sah hierin ein wettbewerbswidriges Abfangen von Patienten und nahm die Krankenversicherung auf Unterlassung in Anspruch. In erster Instanz wurde die Klage der Praxis noch abgewiesen. In der Berufung gab das OLG Dresden der Gemeinschaftspraxis allerdings Recht.

 

/// Die Entscheidung des OLG: Krankenversicherung verstößt gegen § 4 Nr. 4 UWG

Das OLG Dresden erkannte einen Verstoß gegen § 4 Nr. 4 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Danach handelt unlauter, wer Mitbwerber gezielt behindert. Nach der Entscheidung des OLG stellees ein unlauteres Abfangen von Patienten dar und berühre das Recht auf freie Arztwahl, wenn ein Krankenversicherer seine Schlüsselposition dazu nutze, Patienten zu einem Wechsel zu Zahnärzten eines eigenen Netzwerks(„Gesundheitspartner“) des Krankenversicherers zu bewegen, indem er ihm eine Vergünstigung in Aussicht stelle.

 

/// Wettbewerbsverhältnis zwischen Gemeinschaftspraxis und Versicherung

Das OLG Dresden bejahte hierzu ein Wettbewerbsverhältnis zwischen der Gemeinschaftspraxis und dem Versicherungsunternehmen, das für die Anwendbarkeit der Regelungen des UWG erforderlich ist. Zwar bestehe zwischen den beiden kein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis, wohl aber ein mittelbares. Die geschäftliche Handlung könne sich nämlich auch auf die Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen eines fremden Unternehmens beziehen. Die Gemeinschaftspraxis und die Zahnärzte und -labore des Gesundheitsnetzwerks YYY seien auf demselben Markt tätig, da sie gleichermaßen zahnärztliche und labortechnische Dienstleistungen und Waren anbieten und in demselben Endverbraucherkreis abzusetzen versuchen. Wird ein Patient, der bereits einen Heil- und Kostenplan von der Gemeinschaftspraxis hat erstellen lassen und sich demnach für eine Behandlung bei dieser entschieden hat, durch das Schreiben der Krankenversicherung angeregt, einen Zahnarzt des Netzwerks YYY zu wählen, berührt das die wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen der Gemeinschaftspraxis, so das OLG Dresden.

 

/// Gezielte Mitbewerberbehinderung

Das Schreiben der Krankenversicherung sei objektiv geeignet und vorrangig darauf gerichtet, den Absatz von Dienstleistungen der Zahnärzte im Netzwerk YYY zu fördern. Zugleich fördere die Krankenversicherung durch das Versprechen einer um 5 % erhöhten Kostenerstattung die Erhaltung und Erweiterung ihres eigenen Kundenstamms.

 

Das OLG Dresden hob hervor, dass sich die Krankenversicherung in dem Streitfall nicht darauf beschränke, auf Veranlassung des Patienten hin, eine Zweitmeinung oder ein Gegenangebot anzubieten. Vielmehr wendete sich das Versicherungsunternehmen, noch vor Prüfung des Heil- und Kostenplans der Gemeinschaftspraxis, von sich aus, aktiv mit dem Angebot an den Patienten, dass dieser sich stattdessen auch bei einem ihrer Netzwerk-Zahnärzte behandeln lassen könne. Sie beschreibt die Behandlung dieser Gesundheitspartner sodann auch noch als qualitativ besonders hochwertig mit preiswertem Zahnersatz und verweist insbesondere auf eine schnelle Terminvereinbarung und vergünstigte Konditionen für weitere Serviceleistungen. Würde dies der dem Netzwerk angehörende Zahnarzt selbst tun würde dies eine verbotene aktive Werbung um Patienten darstellen und damit ein berufs- und wettbewerbswidriges Verhalten. Geschieht dies hier nun durch den Krankenversicherer stelle dies ebenso als gezielte Mitbewerberbehinderung dar.

 

/// Unzulässiger Eingriff in das Recht auf freie Arztwahl

Betont wurde im Übrigen auch, dass sich das Versicherungsunternehmen in einer vom Versicherungsnehmer als stärker empfundenen Position befinde,da es über den Umfang der Kostenübernahme aufgrund eines Heil- und Kostenplans entscheide. Diese Position habe die Krankenversicherung ausgenutzt, um die Nachfrage auf ihre Gesundheitspartner umzulenken, noch dazu durch das Angebot finanzieller Anreize. Der Patient könne so nicht unbeeinflusst abwägen, ob ihm das Angebot des Gesundheitspartners ausreichende Veranlassung für einen Wechsel des Zahnarztes gebe. Vielmehr könne der nicht unerhebliche finanzielle Anreiz Einfluss auf die Arztwahl gewinnen. Dadurch greife die Krankenversicherung unzulässig in die freie Arztwahl des Patienten ein.

 

/// Praxistipp

Zahnärzte müssen es nicht dulden, wenn Krankenversicherungen ihre besondere Schlüsselposition dadurch ausnutzen, durch besondere Anreize die Patienten zu einer Behandlung bei einem anderen Zahnarzt zu bewegen. Sie stellen sich damit in Konkurrenz zum behandelnden Zahnarzt und beeinflussen zudem damit in unzulässiger Weise die freie Arztwahl der Patienten. Sollten Zahnärzte von solchen Fällen betroffen sein, kann es sich unter Berücksichtigung der aktuellen Entscheidung durchaus lohnen, hiergegen nötigenfalls auch gerichtlich vorzugehen und die Krankenversicherung auf Unterlassung, ggf. sogar Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.

 

– AUTORIN
Jennifer Jessie, Rechtsanwältin

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