Pharmakologie für Zahnärzte

Medikamente – damit hab ich doch nichts zu tun, meinen nicht wenige Zahnärzte. Aber, weit gefehlt. Nicht nur dass wir ganz alltäglich Pharmaka selber einsetzen – Anästhetica, Antibiotika, Analgetica sind im täglichen Einsatz -, wir müssen auch berücksichtigen, was Ärzte ihren Patienten so alles verschreiben. Denn eine Vielzahl an Pharmaka hat massiven Einfluss auf die Mundhöhle, unser Fachgebiet, und leider kennen die meisten Allgemeinärzte diese speziellen Nebenwirkungen nicht. Da muss zumindest der Zahnarzt wenigstens Bescheid wissen. Bei der demoskopischen Entwicklung – immer höherer Anteil an älteren und alten Menschen- sowie der messbaren Zunahme an multimorbiden Patienten wird dies immer wichtiger. Denn: der Zahnarzt ist kein „Zahn“arzt, er/sie ist ein „Arzt für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten“ und damit verantwortlich für die gesamte Mundhöhle.

 

/// Typische Krankheiten, ausgelöst durch allgemeine Medikationen:

– Xerostomie, besondere Nebenwirkung sind floride Karies und Parodontitiden. Ursache: Antihistaminika (gegen Allergien gegeben), Antidepressiva (psychische Erkrankungen stehen mittlerweile an Rangplatz 3), Kalziumantagonisten, Diuretika (alles Blutdrucksenker – Hypertonie ist heute bei mehr als 50 Prozent der Patienten zu beobachten) 

– Pilzinfektionen – verursacht durch Antibiotika und/oder Immunsuppressiva 

– Mukositis, typische Nebenwirkung von antikarzinogenen Substanzen (denken wir an die Chemotherapie prä- oderpostoperativ)

– Zahnschmelzverfärbungen – ausgelöst durch Antibiotika und Fluoride

– Gingivahyperplasie, in Zusammenhang mit Antikonvulsiva, Kalziumantagonisten und Immunsuppressiva zu beobachten

– Stomatitis – Nebenwirkung von Antihypertensiva  und ACE-Hemmern 

– Lichenoide Reaktionen als Folge von Diuretika 

– Schleimhautläsionen entstehen als Folge der Gabe von antiinflammatorischen Substanzen (z.B. Cortison)

– Knochennekrosen, verzögerte Heilung können wir bei Bisphosphonaten erwarten

– Corticoiddauermedikation führt zu Wundheilungsstörungen

– Gerinnungshemmer erhöhen das OP-Risiko bzw. das Risiko für Nachblutungen

Quelle u.a. : G V Arnetzl: Die besondere Situation restaurativer Versorgungen bei Senioren; Vortrag beim 41. Wachauer Frühjahrssymposium, Krems, 14. Mai 2009 / J Moser: Betagte Patienten: Start low, go slow; Zahnarzt 7/2009

 

Eine ausführliche Anamnese bei jedem Patienten ist obligat, sonst könnte man leicht in die Irre geführt werden. Die Ergebnisse der Anamnese müssen verifiziert werden – Patienten sind Laien und werden uns nur in den seltensten Fällen wirklich fundierte Auskünfte geben können. Am besten ist es, man lässt sich die Pillen- und sonstigen Schachteln mitbringen (in Deutschland werden Unmengen an Pharmaka eingenommen, deshalb gibt es kaum einen Patienten ohne Dauermedikation). Nur so kann man die korrekten Namen und Dosierungen erfahren – und dann ist es bestimmt nicht unnütz die Präparate auf Nebenwirkungen hin abzuchecken. Das geht recht einfach, wenn man sich der Hilfe z.B. der „roten Liste“, oder, ganz elegant, im Internet bei „Doccheck“ (http://www.doccheck.com/de/), nach Registrierung (da muss man nachweisen dass man zugangsberechtigt ist, also die Approbation vorlegen) ist die Datenbank kostenfrei zu nutzen. Der Vorteil: man kann blitzschnell alle wichtigen Daten zu dem eingegebenen Präparatenamen finden – wer mal im Register in Buchform geforscht hat, weiß den Vorteil der digitalen Auskunft zu schätzen.

Insbesondere die Psychopharmaka haben es in sich – Depressionen. Stress, Überforderung (burn-out), Schlaflosigkeit, all dies wird gerne und häufig in Allgemeinarztpraxen (Hausarzt) mit hochwirksamen Psychopharmaka „therapiert“ (da werden die Symptome gedämpft ohne die Ursachen aufzudecken oder gar wirksam zu bekämpfen), und dies sogar schon bei Jugendlichen. Die Altersdepression ist eher die Regel als die Ausnahme, und die Altersdebilität greift immer stärker um sich und behindert die Kommunikation – also, unbedingt mit den auch Angehörigen sprechen!

Das Argument, dass der Zahnarzt dafür nicht bezahlt wird (die „Beratung“ nach Ä1 ist ein Hohn, betrachtet man die Honorierung) ist zwar sicher nachvollziehbar und korrekt, nur darf man deshalb das Thema nicht ausgrenzen. Nicht nur dass eine Nichtbeachtung per se rechtswidrig wäre (der ZahnArzt muss auch tätig werden ohne konkrete Honorarzusage!), es erschwert auch die zahnärztliche Therapie.

Beispiel: ein Patient hat einen gebremsten Speichelfluss (Oligosialie, die Vorstufe zur Xerostomie), z.B. weil Psychopharmaka eingenommen werden – das kann sogar Jugendliche betreffen – und braucht deshalb eine besonders intensive Prophylaxebetreuung. Ignoriert man den Zusammenhang, kann man die Karies kaum bremsen und gerät dann wegen zu vieler Füllungen in die Wirtschaftlichkeitsprüfung. Nicht nur dass der Gebissverfall so kaum aufzuhalten wäre, es ist auch ein treffliches Argument gegen eine Honorarkürzung, wenn man diese Patienten identifiziert und gegenüber den Kassen erhöhten Therapiebedarf anmelden kann.

Oder, Patientinnen in der Gravidität oder während der Einnahme von Kontrazeptiva zeigen stets eine erhöhte Neigung zur Gingivitis, die durchaus zur Parodontitis werden kann. Weiß ich um die Problematik, kann ich entsprechend reagieren, z.B. durch temporäre Gabe von Chlorhexidin.

Jedoch hat sich der Zahnarzt nicht nur mit den Nebenwirkungen ärztlicher Medikation auseinanderzusetzen. Er/sie setzt ja auch selbst Pharmaka ein, und diese können mit der Dauermedikation interferieren. So ist die Anwendung von Anästhetika abhängig von der allgemeinen Gesundheit und nicht zuletzt auch von der „normalen“ Medikation. Da kann es entscheidend sein, das richtige Anästhetikum finden zu können, eventuell eben ohne Vasokonstrigenszusatz.

Nicht wenige Patienten nehmen regelmäßig Beta-Blocker ein – bei denen funktioniert die Anästhesie auch ganz anders als beim unbelasteten Patienten. Und Patienten die unter Gerinnungshemmern stehen nehmen zahlenmäßig auch deutlich zu, da muss der Zahnarzt dann mit Fibrinklebern arbeiten, um langdauernde Nachblutungen zu vermeiden – und muss darauf achten, dass nicht der Gerinnungsstatus plötzlich aus dem Ruder läuft. Insbesondere Antibiotika, die der Zahnarzt anwendet, wirken nicht nur im Blut, sondern auch im Darm. Dadurch wird die eigene Vitamin-K (Faktor8) Produktion massiv beeinflusst. Das E.Coli, das im Darm Faktor 8 produziert, wird durch Antibiotika unterdrückt, damit geht die Vitamin K Produktion messbar zurück, und plötzlich kann der Gerinnungsstatus in extreme Werte umschlagen, was unübersehbare Risiken für innere oder äußere Blutungen nach sich zieht.

Systemische Antibiotika wirken „systemisch“, was zur Folge haben kann, dass eine banale Blasenentzündung (wenn die Einnahmedauer nicht ausreicht) plötzlich zur Nephritis entarten kann, usw. Insbesondere die Auswirkungen auf die Antikoagulanztherapie sollten stets bedacht werden (siehe oben).

Lokal eingebrachte bzw. wirkende Antibiotika sind demgegenüber etwas weniger problematisch einzuschätzen, da zwar am Wirkort (z.B. Gingiva, Pulpa) sehr hohe Konzentrationen auftreten, systemisch jedoch relativ wenig Wirkstoff in die Blutbahn gelangt, sehr aktive inflammatorische Geschehnisse einmal ausgenommen.

In die Reihe der pharmakologisch zu betrachtenden Präparate sind auch Knochenersatzmaterialien einzubeziehen. Phosphate (gerne für Augmentationen eingesetzt) können durchaus massive Nebenwirkungen im Stoffwechsel auslösen.

Chlorhexidin. „Goldstandard“ der antientzündlichen Therapie in der Mundhöhle, hat nicht nur zur Folge dass es zu unguten Verfärbungen von Zähnen und Zunge kommt, es kann auch zu einer Beeinträchtigung der Geschmacksempfindung kommen. Dies wiederum sollte zur Überlegung weiterleiten, dass es dadurch möglicherweise zu übermäßigem Salz- oder Zuckerkonsum kommen könnte, mit weiteren Folgen, wie metabolischem Syndrom (bei latenten Diabetikern) oder zur Entgleisung des Blutdrucks (Hypertonie wegen Wechselwirkung von Kochsalz mit Diuretika).

/// Analgetica

gegeben gegen akute Zahnschmerzen oder nach OP´s sind ebenfalls nur im Gesamtkontext zu sehen: manche bzw. die meisten üblichen wirken als Gerinnungshemmer.

Nichtsaure antipyretische (= fiebersenkende) Analgetika:
– Paracetamol (z.B. ben-u-ron®), Phenazon, Propyphenazon, Metamizol (z.B. Novalgin®)

Saure antiphlogistische (= entzündungshemmende) und antipyretische Analgetika (NSAIDs):
– Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin®), Diflunisal, Salicylamid, Ethenzamid
– Indometacin (z.B. Amuno®), Proglumetacin, Acimethacin, Diclofenac (z.B. Voltaren®), Tolmetin
– Ibuprofen, Ketoprofen (z.B. Orudis®), Naproxen, Tiaprofensäure
– Piroxicam (z.B. Felden®), Tenoxicam, Meloxicam (Mobec®)
– Oxyphenbutazon, Phenylbutazon (z.B. Ambene®)

Nichtsteroidale Antirheumatika der neueren Generation, sog. COX-2 Inhibitoren, auch antiphlogistisch (= entzündungshemmend) wirkend, magenschonend:

– Parecoxib (Dynastat®)

– Celecoxib (Celebrex®)

– Etoricoxib (Arcoxia®)

 

Kombinationen sind dann sinnvoll, wenn jeder Arzneistoff zur beabsichtigten analgetischen Wirkung beiträgt oder die unerwünschten Wirkungen seines Kombinationspartners vermindert.

Mögliche Interaktionen sind bei den einzelnen Arzneistoffen unbedingt zu beachten. Die Einzelkomponenten müssen sich hinsichtlich Wirkungseintritt, Wirkungsdauer und Dosierungsintervall optimal ergänzen.

Als relativ unbedenklich ist eine Kombination von Paracetamol (z.B. ben-u-ron®) und Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin®) einzustufen, da keine wesentlichen Interaktionen zu befürchten sind und die Wirkungsdauer nahezu gleich ist (additive analgetische Wirkung). Als Analgetikum mit geringster sensibilisierender Potenz erlaubt der Zusatz von Paracetamol beispielweise eine Einsparung des Acetylsalicylsäure-Anteils, der wiederum für eine Magenunverträglichkeit verantwortlich sein kann. Antiphlogistisch-antipyretisch wirksame Analgetika (NSAIDs) sollten nicht miteinander kombiniert werden. 

Allerdings ist zu beachten, dass insbesondere ASS (Acetyl-Salicyl-Säure) auf die Thrombozyten-Aggregation einwirkt und so ebenfalls gerinnungshemmend wirkt. ASS sollte deshalb nicht im Zusammenhang mit Operationen eingenommen werden. Auch Ibuprofen wäre da ungünstig – als Alternative könnte man Tylenol einsetzen.

 

Wirkmechanismus

Wir finden unterschiedliche Wirkungsweisen je nach Substanzklasse: bei den peripher wirkenden Analgetika (z. B. Azetylsalizylsäure, Paracetamol, nicht-steroidale antiinflammatorische Analgetika) gibt es in der Regel eine periphere Cyclooxygenasehemmung und verminderte Bildung des schmerzauslösenden Prostaglandin E2. Bei den peripheren Analgetika unterscheidet man die analgetische Wirkung, von der antipyretischen und antiphlogistischen Wirkung. Nicht-steroidale antiinflammatorische Substanzen (non-steroidal antiinflammatory drugs = NSAID) wie beispielsweise das Diclofenac haben eine stärker ausgeprägte antiphlogistische Wirkung, die der Acetylsalicylsäure (ASS) und dem Paracetamol fehlt.

Zentral wirkende Analgetica, die den Opiaten zuzurechnen sind, werden vom Zahnarzt nicht eingesetzt.

 

/// Antibiotika

Wirkung der Antibiotika

Antibiotika wirken auf der Zellebene – man macht sich dabei die unterschiedliche Beschaffenheit der Zellen von Mensch und Bakterium zu Nutze. Während Antibiotika in der Regel keine oder eine nur geringfügige Beeinträchtigung für die menschlichen Zellen darstellen, gilt dies nicht für die Zellen der Bakterien. Ein wichtiges Wirkungsprinzip vieler Antibiotika ist die Zerstörung der bakteriellen Zellwand.

 

Einteilung der Antibiotika

Wir können Antibiotika in Breitband- und Schmalspektrum-Präparate einteilen, je nachdem, ob spezifische Bakterien oder eine ganze Palette an unterschiedlichen Bakterientypen erreicht werden.

Eine andere Einteilung erfolgt nach der Wirkungsweise. Die meisten Antibiotika wirken bakteriostatisch. Einige andere bzw. größere Konzentrationen wirken auch bakterizid. Beispiel: Tetracyclin ist ein typisches Breitbandantibiotikum mit bakteriostatischer Potenz. Bei sehr hoher Konzentration (z.B. bei lokaler Applikation) wirkt es jedoch bakterizid.

Wenn möglich, verwendet man stets das Schmalspektrum-Antibiotikum. Um das genau richtige Antibiotikum zu ermitteln, sollte zunächst ein Abstrich vom Infektionsgeschehen gemacht werden. Anhand dieses Abstrichs kann dann im Labor untersucht werden, welche Bakterien der Auslöser der Infektion sind (bakteriologische Testung) und auf welches Antibiotikum diese Erreger dann sensibel reagieren. Dies wird in der PAR aktuell so praktiziert, könnte aber auch generell vorteilhaft angewandt werden.

Nur wenn die genaue Bestimmung des zu bekämpfenden Erregers aus zeitlichen oder anderen Gründen nicht möglich ist, sollte man ein Breitbandantibiotikum einsetzen.

Einsatz von Antibiotika

Bei dem Einsatz von Antibiotika unterscheidet man zwischen der therapeutischen und der prophylaktischen Antibiose.

Therapeutische Antibiose

Der therapeutische Einsatz von Antibiotika ist bei Infektionen mit gesicherter bakterieller Genese indiziert, wenn eine nur lokale Sanierung des Infektionsherdes nicht ausreicht. Beispiele hierfür sind die Trepanation eines Zahnes und die Inzision eines Abszesses bei dentogenen pyogenen Infektionen, bei denen das Fortleiten des Abszesses über kommunizierende Logen lebensbedrohliche Komplikationen hervorrufen kann.

Weiterhin indiziert ist die Verwendung von Antibiotika bei speziellen marginalen Parodontopathien als Unterstützung von supra- und subgingivalem Debridement. Die solitäre Anwendung ohne zusätzliche lokale Maßnahmen hat wenig Wirkung, da Antibiotika aufgrund der Biofilm-Struktur der Plaque nur eingeschränkt in die Plaque eindringen können und somit die notwendige Konzentration nicht erreicht werden kann, die zur wirksamen Antibiose nötig wäre. Deshalb ist die rein chirurgische Vorgehensweise, da sowieso erforderlich, oft als alleinige Maßnahme ausreichend und zu bevorzugen.

Zu den eine adjuvante Antibiotikatherapie rechtfertigenden parodontalen Erkrankungen zählen:

– ANUG (akute nekrotisierende ulzerierende Gingivitis)

– Parodontalabszess

– Aggressive Parodontitis (AAP)

– Schwere chronische Parodontitis

Die „normale“ Erwachsenenparodontitis, ausgelöst durch ungenügende Mundhygiene, die etwa 90 Prozent der PAR-Fälle ausmacht, bedarf keiner antibiotischen Zusatztherapie.

Um eine möglichst effiziente Wirkung zu erreichen, sollte das Antibiotikum direkt nach Abschluss der lokalen Maßnahmen verabreicht werden. Dabei sollten zunächst bewährte Antibiotika gegen die in der Regel zu erwartenden Bakterienstämme eingesetzt werden.

Prophylaktische Antibiose

Um gefährliche Infektionen nach notwendigen Operationen zu vermeiden, müssen bei Risikopatienten antibiotische Abschirmungen erfolgen. Hier erfolgt also ein vorsorglicher Einsatz von Antibiotika.

Zur Gruppe der Risikopatienten gehören Personen, die wenigstens eine der nachfolgenden Eigenschaften aufweisen:

– Schlecht eingestellter Diabetes melitus

– Leberinsuffizienz

– Erkrankungen des lymphatischen Systems

– Hämotologische Erkrankungen und Leukozytose

– Radiatio im Kiefer-, Gesichts- und Halsbereich

– Organtransplantationen

– Implantattransplantationen

– Zytostatikamedikamentationen

– Endokarditisrisiko

– Träger künstlicher Herzklappen

 

Zeitpunkt und Dauer der prophylaktischen Antibiotikatherapie

Um eine rasche Wirkung gewährleisten zu können, muss sehr schnell eine hohe Serumkonzentration vorhanden sein. Deshalb beginnt man bei der prophylaktischen Antibiose bereits einen Abend vor Operationsbeginn mit der Einnahme des Antibiotikums. Eine Stunde vor Operationsbeginn wird die verabreichte Dosis dann noch einmal verdoppelt. Die gesamte Therapiedauer sollte mindestens 3 – 7 Tage betragen.

 

 

Anwendung des Antibiotikums

Hier unterscheidet man zwei Arten der Anwendung, einerseits die systemische Einnahme und andererseits die lokale Anwendung.

Systemische Einnahme

Grundsätzlich sollte der systemische Einsatz von Antibiotika sehr kritisch beurteilt und nur für einen begrenzten Anwendungsbereich zugelassen werden. Denn es gilt, die Ausbildung von Antibiotikaresistenzen möglichst zu verhindern.

Aber auch die Nebenwirkungen der Antibiotika sprechen gegen eine leichtfertige systemische Einnahme. Weil das Medikament nicht zwischen „guten“ und „bösen“ Bakterien unterscheiden kann, bekämpft es neben den krank machenden Erregern oftmals auch für den Menschen lebenswichtige Bakterien wie etwa die Darmbakterien (u.a. E. coli), die für die Vitalstoffversorgung (Vitamin K) des Körpers unerlässlich sind.

Die Schädigung der physiologischen Darmkultur geschieht dabei immer zugunsten von Schimmelpilzen wie z.B. Candida und so manche Mykose (Pilzinfektion) hat hier ihren Ursprung, wenn gleichzeitig auch noch eine Übersäuerung vorliegt.

Mykosen gehören zu den größten Allergieauslösern. Es gibt fast keine Allergien ohne Übersäuerungen und Mykosen. Diese scheinen im Zusammenspiel den Organismus derartig zu irritieren, dass dieser anfängt, Sensibilisierungen auf alle möglichen Stoffe auszubilden. Ganzheitlich oder naturheilkundlich orientierte Zahnärzte sind deshalb sehr vorsichtig mit dem Einsatz von Antibiotika. In der Regel verschreiben sie bei zwingender Indikation zugleich Aufbaustoffe für die natürliche Darmflora wie Parenterol oder Symbioflor, um nur zwei Präparate zu nennen.

Grundsätzlich sollte man die Einnahme von Antibiotika mit der Supplementierung von Milchzucker kombinieren. Denn Milchzucker kann von den Schimmelpilzen nicht verarbeitet werden, stellt jedoch für die Darmkulturen ein regelrechtes Kraftfutter dar.

 

Lokale Anwendung

Deutlich weniger Nebenwirkungen sind bei der lokalen Antibiotikatherapie zu befürchten. Sie wird sehr gezielt eingesetzt, immer punktuell nur dort, wo das Antibiotikum auch wirken soll und zieht daher den Darm nicht in Mitleidenschaft.

Die Einsatzgebiete der lokalen Antibiotikatherapie sind die parodontale Tasche, also der infizierte Sulcus, und die bakteriell infizierte Pulpa sowie die apikale Ostitis, die noch durch den Apex erreichbar ist.

 

Präparate zur lokalen Anwendung

Besonders hervorzuheben sind hier die lokalen Antbiotikum-Kortikoid-Kombinations-Pasten, die im Handel unter Produktnahmen wie Ledermix und Fokalmin vertrieben werden (Fokalmin ist in der BRD nach Kenntnis des Autors nicht mehr verfügbar).

Da der Pulpa naturgemäß ein nur begrenzter Raum im Zahninnern zur Verfügung steht, kommt es mit Auftreten der Kardinalsymptome einer Entzündung (Rubor, Calor, Dolor, Extension, Funktionseinschränkung) zu heftigen Schmerzen. Durch Unterdrückung dieser Reaktion (Eindämmung der Kardinalsymptome und Freisetzung von Schmerzmediatoren) können die Schmerzen gelindert werden. Diese Aufgabe übernimmt die Kortikosteroid-Kompenente in den oben genannten Präparaten. Da es dadurch aber auch zu einer Reduzierung der Infektabwehr kommt, wird den Produkten eine Antibiotikum-Komponente hinzugefügt, um die Vermehrung von Bakterien zu verhindern.

Weil diese Kombinationspräparate antiphlogistisch und bakterizid zugleich sind, also Entzündungen dämpfen und Bakterien abtöten, bieten sie ein besonders breites Indikationsspektrum. Diesem Umstand trägt zum Beispiel die Firma Riemser Rechnung, indem sie ihr Produkt Ledermix in zwei Darreichungsformen anbietet: als Paste und als Zement.

 

Anwendungsbeispiel für den Zement

Beim Excavieren von Karies wird ein Pulpahorn freigelegt. Da es nun zur Kontamination gekommen ist, sollte man zunächst die Blutung stillen und dann als direkte Schicht zur Pulpa einen Ledermixzementverband legen und dann erst die Kalziumhydroxidschicht.

 

Anwendungsbeispiele für die Paste

Der Zahn wurde wegen starker Perkussionsempfindlichkeit trepaniert. Um jetzt schnell eine Schmerzlinderung zu erzielen, genügt es in der Regel, den Zahn mit Watte zu verschließen, die zuvor mit Ledermixpaste beschichtet wurde. Effektiver ist es, Ledermix Paste mittels Lentulo in den Kanal einzubringen, damit erreicht man auch bakteriell befallene periapikale Regionen. Eine Ausheilung von apikalen Aufhellungen bis zu 5 mm Durchmesser ist dabei durchaus möglich.

Nach einer Wurzelkanalbehandlung soll der Zahn provisorisch verschlossen werden. Da man aber noch nicht sicher sein kann, ob sämtliche Entzündungsherde beseitigt wurden, wird der Zahn wieder mit Ledermixpaste und darüber einer provisorischen Verschlusspaste versorgt.

Vor definitiver Wurzelfüllung empfiehlt es sich, Ledermix gegen Kalziumhydroxid auszutauschen, damit ein Verschluss der Dentinkanälchen zumindest möglich wird.

Eine tiefe Kavität wurde präpariert. In diesem Fall kann vor dem direkten Verschluss mit einer adhäsivbefestigten Einlage bzw. einer Kunststofffüllung gewarnt werden, da in der Regel Entzündungsmediatoren freigesetzt wurden und oben genannte Kardinalsymptome hervorrufen. Besser ist es, in die Kavität eine mit Ledermix beschichtete Watte einzubringen und den Zahn provisorisch zu verschließen, besser noch, wie in Australien üblich, mit Ledermix Zement abdecken. Nach Untersuchungen der Universitäten Sydney und Melbourne konnte durch die obligate Anwendung von Ledermix Zement bei Careis profunda die Komplikationsrate signifikant gesenkt werden.

 

Eine Alternative zu Antibiotika

Naturheilkundlich orientierten Zahnärzte sind wegen der genannten Nebenwirkungen äußerst restriktiv in der Verabreichung von Antibiotika. Eine Alternative wäre die lokale Ozontherapie; es werdend dabei nicht nur wie bei der lokalen Antibiotikatherapie Keime abgetötet, sondern zugleich auch die Pilze, deren Wachstum die Gabe von Antibiotika eher fördert. Gleichzeitig weist sie keine der mit den Antibiotika verbundenen Nebenwirkungen auf.

Die lokale Ozontherapie ist keine GKV-Leistung und muss nach Abdingung privat nach § 2 (Verlangensleistung) abgerechnet werden (sie ist auch in der GOZ 2012 nicht enthalten).

 

/// Lokalanästhesie

ist nach den Richtlinien der DGZMK Mittel der Wahl zur Schmerzausschaltung bei zahnärztlichen eingriffen. Die zugelassene Alternative Vollnarkose (ITN) darf nur in besonderen Fällen in ganz strenger Indikation angewandt werden.

Bedient sich ein Zahnarzt alternativer Methoden, so kann er/sie Probleme bei der Kosten-Erstattung durch die Versicherungsträger bekommen, da z.B. in der Parodontologie davon ausgegangen wird, ohne Anästhesie hätte es keine chirurgische Therapie der betroffenen Parodontien gegeben.

Obwohl die zahnärztliche Lokalanästhesie mit ca. 70.000.000 Anwendungen pro Jahr in Deutschland extrem weit verbreitet ist, findet immer noch wenig Kommunikation zu diesem Thema statt.

Die Komplikationsrate ist mit ca. 4,5 % sehr niedrig. Aber: im Rahmen des vorgeschriebenen QM (Qualitätsmanagement) müssen Komplikationen und deren Beherrschung bereits vorab in einer Arbeitsanweisung bzw. Checkliste erfasst sein. Auftretende Zwischenfälle sind dann präzise zu dokumentieren. Weiterhin ist es notwendig, die angewendeten Präparate ebenfalls im QM-Handbuch zu listen.

Deshalb sollte die in der Zahnarztpraxis vorgehaltene Auswahl sich auf wenige Präparate beschränken, deren pharmakologische Kenngrößen beherrscht werden und deren Wirkmechanismus bzw. deren Nebenwirkungen und mögliche Komplikationen bekannt sind.

Entwicklung: 1914 führt Fischer in Marburg (da gibt es noch ein Original-Filmdokument!) die erste zahnärztliche Leistungsanästhesie vor Zeugen durch und verhilft so dieser Methode der Schmerzkontrolle zum Durchbruch.

 

Wirkungsweise

Reizleitung durch die Nervenfaser

Die Ionenverteilung außerhalb und innerhalb der Zellmembran ist unterschiedlich. Im Ruhezustand ist die Natrium-Konzentration im extrazellulären Raum deutlich höher als im Zellinneren. Entgegengesetzt dazu ist die Konzentration der Kalium-Ionen. Im Zellinneren ist die Kalium-Konzentration etwa 30mal höher als außerhalb der Zelle. Durch die ungleiche Ionenverteilung entsteht eine Potentialdifferenz. Misst man die elektrischen Potentiale innerhalb und außerhalb der Zelle, ergibt sich eine Spannung

von cá –90 mV, das „Ruhemembranpotential“. In der Zelle bildet die Zellmembran eine Barriere und erhält so die ungleiche Ionenverteilung aufrecht. Durch einen Reiz, beispielsweise einem Schmerzreiz, kommt es zu einer Konformationsänderung, wodurch eine Öffnung der Ionenkanäle bewirkt wird. Durch die Öffnung eines Ionenkanals, wie z.B. eines Natrium-Kanals, wird die Membran für diese Ionen durchlässig. Natrium-Ionen strömen in das Zellinnere und laden dieses positiv auf. Es kommt zu einer Abnahme des vorher negativen Membranpotentials, einer Depolarisation. Die folgende Öffnung der Kalium-Kanäle ist der Depolarisation entgegengesetzt. Durch den Ausstrom positiver Ladungen in Form der Kalium-Ionen kommt es zu einer raschen Repolarisation des Membranpotentials. Der Einstrom der Natrium-Ionen und der Ausstrom der Kalium-Ionen wird durch die Na-K-ATPase ausgeglichen. Diese stellt die ursprüngliche Ionenverteilung durch einen energieverbrauchenden Transport entgegen der Ionenkonzentration wieder her.

 

Weiterleitung der Depolarisation

Die Weiterleitung einer Depolarisation entlang erregbarer Zellmembranen erfolgt bei myelinisierten und bei nichtmyelinisierten Nervenfasern auf unterschiedliche Weise. Die Depolarisation der Zellmembran einer nichtmyelinisierten Nervenfaser löst eine Öffnung der folgenden Natrium-Kanäle aus. Dadurch breitet sich die Depolarisation kontinuierlich entlang der Zellmembran aus. Die Leitungsgeschwindigkeit ist zwischen 0,5 und 2 m/s. Solche langsamen Nervenfasern leiten also Schmerz oder andere Informationen in geringer Geschwindigkeit. Für hoch entwickelte Organismen genügt dies nicht. Deshalb hat die Evolution schnellere „Datenautobahnen“ hervorgebracht, die Nervenfasern mit einer Isolierschicht, dem Myelin. Die Weiterleitung einer Erregung an myelinisierten Nervenfasern erfolgt dabei über die Ranvier´schen Schnürringe. Die Erregung springt von Schnürring zu Schnürring, und die einzelne Nervenfaser zwischen den Schnürringen ist relativ kurz. Dadurch springt die Erregung von Ring zu Ring, wodurch die Informationen wesentlich schneller fortgeleitet werden. Die Leitungsgeschwindigkeit erreicht dabei zwischen 12 und 30 m/s.

 

Struktur / Chemie der Lokalanästhetika

Alle Lokalanästhetika besitzen eine gleiche Grundstruktur. Sie sind aus einem lipophilen aromatischen Teil, einer hydrophilen Aminogruppe und einer Zwischenkette zusammengesetzt. Beispiel Articain: Das Molekül besteht aus einem lipophilen aromatischen Anteil, in diesem Fall einem Thiophenring, einer Zwischenkette und einer hydrophilen Aminogruppe. Die Zwischenkette ist der Angriffspunkt für Enzyme, die den Abbau des Moleküls betreiben. Nach der Art der Zwischenkette kann man zwei Hauptgruppen der Lokalanästhetika unterscheiden – Präparate vom „Estertyp“ und vom „Amidtyp“. Älteren Präparate, wie z.B. Procain, sind Ester. Moderne Anästhetika, wie Articain, sind mit Amiden aufgebaut. Das Verhalten der Lokalanästhetika wird stark vom pH-Wert beeinflusst.

 

Wie wirken Lokalanästhetika?

Lokalanästhetika blockieren reversibel und örtlich begrenzt die Entstehung und Fortleitung von Aktionspotentialen an Axonen. Dabei wir die Informationsübermittlung

vom Ort der Schmerzentstehung an das ZNS gehemmt. So wird die Schmerzempfindung temporär unterdrückt. Dabei werden die Empfindungen in einer bestimmten Reihenfolge reduziert und schließlich ausgeschaltet. Die Wirkung auf verschiedene Typen von Nervenzellen ist dabei unterschiedlich. In entzündlich verändertem Gewebe lässt die Wirkung der Lokalanästhetika rascher nach bzw. sie ist insgesamt schwächer ausgeprägt. Entzündungsgewebe weist stets einen niedrigeren pH Wert auf als gesundes Gewebe – der saure Gewebe-pH reduziert nachvollziehbar die Wirkung des Anästhetikums. Nach der Injektion wird die saure Lokalanästhetikalösung im gesunden Gewebe neutralisiert. Physiologische Gewebsflüssigkeiten haben eine relativ gute Pufferkapazität und wirken stets neutralisierend, egal ob aus dem sauren oder basischen Milieu.

Zwischen Kation und Base stellt sich vor Ort ein Gleichgewicht ein. Nur die lipophile Base kann durch die Lipidphase der Membran in das Zellinnere eindringen. Im Zellinneren stellt sich durch die Anlagerung von Protonen wieder ein Gleichgewicht zwischen Kation und Base ein. Durch Bindung innerhalb der Ionenkanäle blockiert das Lokalanästhetikum die Konformationsänderung der Natrium-Kanäle. Erst bei deutlich höheren Konzentrationen werden auch die Kalium-Kanäle blockiert. Das Ausbleiben einer Konformationsänderung verhindert die Öffnung der Ionenkanäle und so die Entstehung oder Weiterleitung eines Aktionspotentials: Der Schmerzreiz kann nicht an das Gehirn weitergeleitet werden..

Bei der Gabe eines Lokalanästhetikums verschwinden die Empfindungen in

folgender Reihenfolge:

– Schmerz

– Temperaturempfinden

– Berührung

– Druck

Wenn die lokalanästhetische Wirkung nachlässt, kehren die Empfindungen in umgekehrter Reihenfolge zurück. Die Schmerzempfindung bleibt also am längsten ausgeschaltet.

Ursachen für ein Anästhesieversagen sind

– chronischer Alkoholabusus,

– starkes Rauchen,

– anatomische Besonderheiten,

– dauernde Einnahme von Schmerzmitteln,

– akzidentielle intravasale Injektion oder

– Verwendung überlagerter Lösungen

– Entzündungen.

 

Wirkung der Lokalanästhetika in entzündlich verändertem Gewebe

Entzündetes Gewebe hat einen niedrigeren pH-Wert als normales Gewebe. Auch führt das mit der Entzündungsreaktion verbundene Ödem zu verlängerten Diffusionswegen und zur Hypoxie. Der Sauerstoffmangel bewirkt eine gesteigerte anaerobe Glykolyse und damit die vermehrte Bildung von Laktat. Diese Laktatazidose mit erniedrigtem pH-Wert führt wiederum zu einem erniedrigten Anteil der lipophilen Form des Lokalanästhetikums im Gewebe. So wird die Penetrationsfähigkeit des Lokalanästhetikums in die Nervenzellen und damit auch seine Wirksamkeit vermindert.

 

Alle internationalen Empfehlungen sind dahingehend einheitlich, dass Esterpräparate in der Zahnheilkunde nur noch zur Oberflächenanästhesie verwendet werden sollten, und die Lokalanästhetika mit Amidbindung für die verschiedenen Anwendungsformen (Infiltration, Leitung, intraligamentär) eingesetzt werden. Während weltweit Lidocain das am meisten verwendete Lokalanästhetikum ist – das einzige Amidpräparat mit oberflächenanästhetischer Wirksamkeit -, wird in einigen wenigen Ländern, wie auch in Deutschland, überwiegend Articain eingesetzt. Dieses Präparat aus der Amidgruppe, das sich durch eine geringe Toxizität und hohe anästhetische Potenz auszeichnet, nimmt innerhalb dieser Stoffgruppe eine Sonderstellung ein. Der primäre Inaktivierungsschritt durch die Plasma-Cholinesterase findet in Blut und Gewebe statt. Dadurch wird die Eliminationszeit verkürzt und die systemische Toxizität verringert. Erst danach erfolgt die Metabolisierung in der Leber. Damit besitzt Articain eine große therapeutische Breite und belastet die Leber relativ wenig – bei der hohen Zahl an Menschen mit chronischem Alkoholabusus (man nimmt etwa 10 Millionen an, also muss man bei etwa jedem achten Patienten damit rechnen) sicher ein Vorteil.

Mepivacain ist ein Lokalanästhetikum, das aufgrund seiner eigenen schwachen vasokonstriktorischen Effekte ohne zusätzlichen Vasokonstriktor eingesetzt werden kann (Vorteil: Schwangere, Herz-/Kreislaufkranke werden geschont). Bupivacain findet in der Schmerztherapie häufig als Langzeitanästhetikum Verwendung (zur Vermeidung der Ausbildung eines „Schmerzgedächtnisses“ eine sinnvolle Maßnahme. Ein Schmerzgedächtnis entsteht, wenn längere Zeit Schmerzzustände persistieren – wenn dann die Schmerzursache definitiv eliminiert worden ist, haben Patienten mit einem manifesten Schmerzgedächtnis weiterhin Schmerzen, also dann sogar ohne echte organische Ursache). Mittels Leitungsanästhesie kann mit diesem Präparat eine sechs- bis achtstündige Schmerzausschaltung bewirkt werden.

Aufgrund der überwiegend positiven Aspekte wird insbesondere den Präparaten Lidocain und Articain meist Adrenalin als Vasokonstriktor zugefügt. Dadurch erreicht man eine höhere primäre Erfolgsrate, eine längere Anästhesiezeit, die Verstärkung der Wirkintensität, eine Reduktion systemischer Plasmaspiegel infolge geringerer und verzögerter Abdiffusion sowie eine Reduktion der lokalen Blutungsneigung. Zwei negative Faktoren werden dabei in Kauf genommen: die Nebenwirkungen durch das applizierte Adrenalin – Blutdruck- und Herzfrequenzanstieg und die Notwendigkeit, eine weitere zusätzliche Substanz hinzuzufügen (Natriumdisulfit) als Antioxidans bzw. Konservierungsmittel.

Die weltweiten Empfehlungen sind einheitlich: Adrenalin ist als Vasokonstriktor das Mittel der Wahl.

Unterschiedlich sind die Empfehlungen bezüglich der Konzentration, dies in Abhängigkeit vom Lokalanästhetikum.

Lidocain sollte aufgrund der stärkeren kardiodepressiven Wirkung eher mit höherem Adrenalinzusatz (1:100.000) kombiniert werden, während sich bei Articain als Standardlösung eine Adrenalinkonzentration von 1:200.000 anbietet. Seit April 2006 steht eine weitere Zubereitung mit reduziertem Adrenalingehalt (1:400.000) zur Verfügung, so dass nun ein breites Spektrum an Articainlösungen auf dem Markt verfügbar ist. Besonders geeignet ist die Zubereitung mit dem reduzierten Adrenalingehalt für kurze Behandlungen und Patienten mit relativen Kontraindikationen für Adrenalin. Entsprechend dem Patienten, dem Eingriff und der Lokalanästhesietechnik kann nun differenziert die ideale Lokalanästhesielösung ausgewählt werden.

 

Vasokonstriktive Zusätze

Im Gegensatz zum Ursprungspräparat Cocain, das eine gefäßverengende Wirkung hat, wirken die synthetischen Lokalanästhetika gefäßerweiternd. Diese vasodilatierende Wirkung hat eine verstärkte Durchblutung und deshalb einen schnellen Abtransport des Wirkstoffs zur Folge – und damit zu einer nur kurzen Wirkdauer sowie einer relativ hohen systemischen Belastung.

Das von Stolz bei Hoechst erstmalig synthetisierte Adrenalin (das erste künstlich erzeugte Hormons) konnte unter der Bezeichnung Suprarenin ab 1905 im Kombination mit Procain für den zahnärztlichen Bereich angeboten werden. Durch vasokonstriktorisch wirksame Substanzen wie Adrenalin lässt sich der Abtransport des Lokalanästhetikums vom Wirkort verzögern. Dadurch verlängert sich die Wirkungsdauer und die Systemtoxizität wird reduziert. Damit wird – wichtig bei längeren Eingriffen – durch den Adrenalinzusatz die mögliche Grenzdosis erhöht. Zusätzlich – und dies ist willkommener Zusatznutzen insbesondere in der PAR – führt die vasokonstriktorische Substanz zu einem schwächer durchbluteten Operationsgebiet. Adrenalin selbst hat keine anästhetische Wirkung. Eine Nebenwirkung des Adrenalinzusatzes ist das nach Abklingen der Anästhesie verbleibende längere Taubheitsgefühl.

 

Dosierung
Sowohl für Lokalanästhetika als auch Adrenalin gibt es Empfehlungen. Da in primär die Maximaldosis des Lokalanästhetikums entscheidet (500 mg bei Articain und Lidocain), die in etwa bei einem 70 kg schweren Patienten erreicht wird, sollte bei leichteren Patienten (z.B. Kindern) eine dem Körpergewicht angepasste Dosierung errechnet werden. Die Grenzdosis des Lokalanästhetikums ist jedoch abhängig von der Verwendung des Vasokonstriktors (bei Articain und Lidocain 3mg/kg KG ohne VC und 7 mg/kg KG mit VC), so dass sich für die Berechnung der Grenzmenge der Adrenalinzusatz positiv auswirkt. Zusätzlich kann das Volumen noch über die Konzentration der Lösung verändert werden. Bei Verwendung einer 4%igen Articainlösung stehen dem Arzt 12,5 ml als Maximaldosis zur Verfügung, bei der 2%igen Lösung die doppelte Menge, nämlich 25 ml.

abklingt, verläuft der postoperative Schmerz milder ausgeprägt. Lidocain eignet sich auch gut als Oberflächenanästhetikum. Trotzdem die relative Toxizität des Lidocains doppelt so hoch ist wie die des Procains, verringert sich die absolute Toxizität wegen der niedrigeren Dosierung erheblich. Die für zahnärztliche Zwecke übliche Handelsform ist eine 2%ige Lösung für die Infiltrations- und Leitungsanästhesie.

 

Abbau der Lokalanästhetika

Lokalanästhetika vom Estertyp werden im Blut rasch durch die im Blutplasma enthaltene Cholinesterase gespalten. Die entstehenden Spaltprodukte sind lokalanästhetisch unwirksam. Der Abbau in der Leber spielt bei den Estern keine Rolle.

Die Amide Lidocain und Mepivacain werden in der Leber durch Monooxygenasen

und Carboxylesterase abgebaut. Diese Metabolisierung erst in der Leber führt zu einer längeren Halbwertszeit der Lokalanästhetika vom Amidtyp von einer bis cá vier Stunden.

Eine Sonderstellung hat das Articain. Nach Blockade des N. mandibularis kann man eine Serumeliminations-Halbwertszeit von 20 Minuten messen. Diese schnelle Entgiftungsgeschwindigkeit ist darauf zurückzuführen, dass das Amid Articain auch eine Estergruppe enthält, die eine Angriffsstelle für die Plasmaesterasen bildet. Durch die Plasmaesterasen wird Articain zu der pharmakologisch unwirksamen Articaincarbonsäure abgebaut.

 

Nebenwirkungen

Nebenwirkungen sind bei der lokalen Anwendung von modernen Lokalanästhetika im

zahnärztlichen Bereich äußerst selten. Systemische Nebenwirkungen können in Form einer

allergischen Reaktion oder eines zu hohen Blutspiegels des Lokalanästhetikums oder des vasokonstriktorisch wirksamen Zusatzes auftreten. Insbesondere nach akzidentieller intravasaler Injektion oder nach zu hoher Dosierung können kardiale und zentralnervöse Störungen auftreten.

Daher ist auf eine sorgfältige Aspirationskontrolle zu achten!

 

Allergische Reaktionen

Allergische Reaktionen auf Bestandteile der lokalanästhetischen Präparate sind selten.

Lokalanästhetika vom Amidtyp haben eine geringe Allergierate, da sie keine

allergen wirkende Paraaminogruppe enthalten, wie z.B. die Ester Procain oder Tetracain.

Häufiger sind Unverträglichkeitsreaktionen auf das in Mehrfachentnahmeflaschen

enthaltene Konservierungsmittel Methylparaben berichtet (enthält eine potentiell allergene Paragruppe). Dieses Risiko kann durch Verwendung konservierungsmittelfreier Präparate vom Amidtyp oder die Verwendung von Zylinderampullen bzw. Brechampullen vermieden werden.

Als allgemeine allergische Reaktionen können eine Urtikaria, eine allergische Dermatitis, Juckreiz, asthmatische Beschwerden und im Extremfall der anaphylaktische Schock auftreten.

 

Reaktionen auf Hilfsstoffe

 

Adrenalin ist sehr sauerstoffsensibel. Daher wird allen adrenalin- oder noradrenalinhaltigen Lokalanästhetika der Zusatzstoff Sulfit (oder Disulfit) zur Stabilisierung des Adreanlin zugesetzt. In seltene Fällen kann dieser Zusatz bei Sulfit-sensiblen Asthmatikern Anfälle auslösen.

 

Systemische Nebenwirkungen

 

Bei akzidentieller intravasaler Applikation oder einer Überdosierung können zentralnervöse

und kardiale Nebenwirkungen auftreten. Früher durfte man bei Risiko-Patienten (z.B. mit arterieller Hypertonie, Herzinsuffizienz oder Diabetes mellitus) keine Adrenalin-haltigen Präparate einsetzen – dies war auf die zu hohen Adrenalinkonzentrationen zurückzuführen (bis 1:25.000).

Heute können Risiko-Patienten unproblematisch z.B. mit Ultracain®D-S (Adrenalinzusatz nur 1:200.000), alternativ mit dem adrenalinfreien Präparat Ultracain®D behandelt werden.

 

Die CME-Fortbildungsreihe erscheint in Kooperation zwischen medicalcert (by dental:spiegel) und dem Dentalkolleg, München