Praktikanten in der Zahnarztpraxis – Mindestlohn? Sozialversicherung?

 

Praktikanten zählen mit zu den (preis)-günstigsten Angestellten. Häufig fällt nicht mal der Mindestlohn an. Wann das so ist und ob überhaupt Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen wollen wir Ihnen in diesem Artikel näher bringen.

Dipl.-Kfm. (FH), Dipl.-Wirt.-Jur. (FH) Robert Sebastian Koch

 

 

/// Was versteht man unter einem Praktikum?

Ein Praktikant oder eine Praktikantin ist jemand, der praktische Kenntnisse in einem Betrieb sammelt.

 

/// Es gibt grundsätzlich vier verschiedene Praktikumsarten:

 

  • Das freiwillige Orientierungspraktikum zur Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums
  • Das freiwillige Ausbildungs- oder studienbegleitende Praktikum
  • Das vorgeschriebene Pflichtpraktikum im Rahmen der Hochschulausbildung bzw. das Pflichtpraktikum im Rahmen einer Berufsausbildung
  • Das Praktikum im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung nach dem SGB III oder eine Maßnahme zur Berufsausbildungsvorbereitung nach dem Berufsbildungsgesetz

 

Darüber hinaus gibt es eine altersmäßige Eingruppierung der Praktika.

 

So haben Praktikantinnen und Praktikanten unter 18 Jahren, die noch keine abgeschlossene Berufsausbildung haben grundsätzlich keinen Anspruch auf den Mindestlohn von derzeit EUR 8,84/Std. Vollendet diese Person während des Praktikums das 18. Lebensjahr, kann ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns bestehen.

 

/// Sozialversicherungsrechtliche- und Mindestlohnbesonderheiten der Praktikumsarten

Der Einfachheit halber gehen wir im Folgenden davon aus, dass die Praktikanten alle älter als 18 Jahre sind.

 

  • Das freiwillige Orientierungspraktikum zur Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums

Diese Praktikumsform unterliegt nicht dem Mindestlohn (vgl. § 22 Abs. 1 MiLoG). Voraussetzung ist allerdings, dass das Praktikum nicht länger als 3 Monate andauert. Dauert das Praktikum länger als 3 Monate oder wird ein Dreimonatspraktikum verlängert, fällt in der Regel ab Beginn des Praktikums (somit auch rückwirkend) der Mindestlohn an.

 

Sozialversicherungsrechtlich ist zu unterscheiden, ob das Praktikum als Beschäftigungsverhältnis oder als sog. Schüler- oder Betriebspraktikum ausgeübt wird. Schreibt die allgemeinbildende Schule (z. B. Hauptschule, Realschule, Gymnasium etc.) ein Praktikum vor, durch dass die Schüler betriebliche Zusammenhänge kennenlernen und ein Verständnis für berufliche Zusammenhänge gewinnen sollen, handelt es sich nicht um ein Beschäftigungsverhältnis. Die Praktika sind dann in der Regel sozialversicherungsfrei.

 

Wird das Praktikum als „Beschäftigung“ ausgeübt, sind die normalen Regeln über die versicherungsrechtliche Beurteilung von Arbeitnehmern anzuwenden. Das bedeutet für die Schüler bei einer mehr als geringfügigen Beschäftigung (sog. Minijob bis EUR 450,00/mtl.) Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung.

 

So lange die Schüler eine allgemeinbildende Schule (nicht Abendschule) besuchen, besteht Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung (vgl. § 27 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB III). Die Schülereigenschaft endet mit Bestehen der Abschlussprüfung bzw. der planmäßigen Beendigung des Ausbildungsabschnitts (Haupt- oder Realschulabschluss bzw. Abitur etc.). Das gleiche gilt, wenn der Schüler oder die Schülerin die Schulausbildung abbricht.

 

  • Das freiwillige Ausbildungs- oder studienbegleitende Praktikum

Bezüglich des Mindestlohns gelten grundsätzlich die gleichen Regelungen, wie beim vorgenannten freiwilligen Orientierungspraktikum. Ab einer Dauer von mehr als 3 Monaten fällt Mindestlohn an.

 

Sozialversicherungsrechtlich kann bei einer mehr als geringfügigen Beschäftigung das sog. Werkstudentenprivileg im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V und § 27 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB III in Frage kommen. Danach besteht Versicherungsfreiheit in der Kranken- Pflege- und Arbeitslosenversicherung für Praktikanten und Praktikantinnen, die während der Dauer ihres Studiums (als ordentlich Studierende an einer Hochschule eingeschrieben) bzw. fachlichen Schulausbildung eine Beschäftigung gegen Entgelt ausüben. Dabei ist es ganz wichtig, dass das Studium im Vordergrund steht! Das Studium steht im Vordergrund, wenn die wöchentliche Beschäftigungszeit die Dauer von 20 Stunden nicht überschreitet. Für die Rentenversicherung gilt die Privilegierung nicht (§ 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI)!

 

Bei nicht vorgeschriebenen Vor- und Nachpraktika besteht grundsätzlich Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Hier sind die vorgenannten Kriterien in der Regel nicht erfüllt.

 

  • Das vorgeschriebene Pflichtpraktikum im Rahmen der Hochschulausbildung bzw. das Pflichtpraktikum im Rahmen einer Berufsausbildung

Die etwaige Vergütung eines Pflichtpraktikums (Pflichtpraktikum: Aufgrund schulrechtlicher Bestimmungen, Ausbildungsordnung, hochschulrechtlichen Bestimmung als Prüfungs- bzw. Abschlussvoraussetzung) unterliegt ebenfalls nicht dem Mindestlohn. Die Voraussetzungen für das Vorliegen des Pflichtpraktikums sind zum Beispiel in Form einer Studienbescheinigung oder eines Auszugs der Studienordnung in der das Praktikum nebst Dauer benannt ist nachzuweisen.

 

Für diese Praktika gelten grundsätzlich auch die im vorherigen Absatz erläuterten Werkstudentenregelungen. Allerdings entfallen die Einschränkung hinsichtlich der wöchentlichen Arbeitszeit sowie die 3-Monatsgrenze für die Dauer des Praktikums.

 

Zusätzlich zur Freiheit in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sind Pflichtpraktika auch in der Rentenversicherung frei (§ 5 Abs. 3 SGB VI). Ein entsprechender Nachweis ist hier ebenfalls zu führen.

 

  • Das Praktikum im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung nach dem SGB III oder eine Maßnahme zur Berufsausbildungsvorbereitung nach dem Berufsbildungsgesetz

Die Einstiegsqualifizierung wird von der Agentur für Arbeit auch „Brücke in die Ausbildung“ genannt. Sie besteht aus einem betrieblichen Langzeitpraktikum, das eine Dauer von 6 bis 12 Monaten vorsieht. Dieses Praktikum kann direkt in eine Berufsausbildung münden und soll sowohl dem Praktikanten bzw. der Praktikantin als auch dem Zahnarzt die Möglichkeit bieten, zu prüfen, ob man zueinander passt.

/// Wer kann ein solches Praktikum machen?

 

  • Bewerber/innen mit individuell eingeschränkten Vermittlungsperspektiven, die auch nach dem 30.09. mit Hilfe der Agentur für Arbeit keinen Ausbildungsplatz gefunden haben
  • Lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte Auszubildende
  • Ausbildungssuchende, die noch nicht vollständig über die erforderliche Ausbildungsbefähigung verfügen
  • Bewerber über 25 Jahre mit Fachhochschul- oder Hochschulreife nur in begründeten Ausnahmefällen

 

Für diese sog. EQ-Maßnahmen gilt der Mindestlohn nicht. Allerdings trägt der Zahnarzt die Sach- und Personalkosten sowie die Beiträge zur Berufsgenossenschaft. Die Höhe des zu zahlenden Entgelts wird zwischen Praktikant und Zahnarzt vereinbart. Etwaige Tarifverträge müssen berücksichtigt werden. Die Agentur für Arbeit kann das Entgelt bis zur Höhe von EUR 231,00 (Stand 08/16) bezuschussen. Die Maßnahme ist in der Regel kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversicherungspflichtig. Auch hier gibt es pauschalierte Zuschüsse von den Agenturen für Arbeit für den Zahnarzt.

 

/// Besondere Aufzeichnungspflichten für Praktikanten nach dem Mindestlohngesetz

  • 17 des MiLoG schreibt die Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten auch für Praktikanten vor. Insbesondere sollten Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit aufgezeichnet werden. Verstöße werden mit Geldbußen geahndet.

 

/// FAZIT

Wir hoffen, Ihnen einen kleinen Einblick in das umfassende Thema der Praktikanten gegeben zu haben. Praktikanten sind gerade auch bei der Suche nach Auszubildenden zur ZMF immer wieder ein gerne genutztes Mittel um Bewerber kennenzulernen. Aber auch für angehende Berufskollegen sind Praktika ein gutes Mittel um Einblicke in die Praxis zu bekommen. Für den Zahnarzt ergeben sich neben etwaigen Fördermaßnahmen und geringen Gehältern/ Lohnnebenkosten gute Möglichkeiten zukünftige Bewerber/-innen kennenzulernen und vorzeitig Ausbildungsverträge abzuschließen. Das kann gerade in der heutigen Arbeitsmarktsituation ein nicht zu unterschätzender Vorteil sein. Sie haben Fragen zu dem Thema? Wenden Sie sich gerne an Ihren Steuerberater!

 

– AUTOR

Dipl.-Kfm. (FH), Dipl.-Wirt.-Jur. (FH) Robert Sebastian Koch
Steuerberater

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