Prophylaxe bei Kleinkindern – Wie oft und wie?

Die (neuen) Früherkennungsuntersuchungen – ein Update!

Prophylaxe fängt dabei nicht erst mit dem ersten Zähnchen, dem ersten Zahnarztbesuch oder mit 6 Jahren an, sondern bereits in der Schwangerschaft bei den schwangeren Patientinnen. Mit entsprechenden Beratungen und Empfehlungen sowie der Veranstaltung von Schwangerschafts- und Informationsabenden kann sehr frühzeitig mit der Vorsorge begonnen werden – konsequenterweise mit den werdenden Eltern. Dabei sind natürlich auch die werdenden Väter gefragt.

Simone Laumann, Karola Westrup

/// Die Situation

Bereits in den ersten Lebensjahren werden die Grundlagen für eine gesunde Zahn – und Kieferentwicklung gelegt.

In Deutschland wurde in den letzten Jahren beobachtet, dass die Kariesaktivität bei Kindern und Jugendlichen rückläufig ist. Für diese Erfolgsgeschichte gibt es einen Grund: Unsere Prophylaxestrategien helfen! Wie sieht aber die Situation bei Kleinkindern bis zum 3. Lebensjahr aus? Prävention ist für die Eltern ein wichtiges Thema, steht allerdings manchmal nicht im Fokus. Etwa jedes zehnte Kleinkind im Alter von 0 bis drei Jahren ist von Milchzahnkaries betroffen; in sozialen Brennpunkten liegen die Zahlen in etwa bei 40%. Danach können wir derzeit von einer durchschnittlichen Prävalenz von 10-15Prozent ausgehen, die zwischen 5,2 und 20,3 Prozent schwankt. Diese frühkindliche Karies an den Milchzähnen wird in der wissenschaftlichen Literatur als „Early Childhood Caries „ ( ECC )bezeichnet, die sogenannte Nuckel- oder Saugerflaschenkaries. Im Gegensatz zur Karies an bleibenden Zähnen ist sie nicht zurückgegangen. Es gibt also viel zu tun!

 

/// Erweitertes Versorgungskonzept für Kleinkinder

Aus diesem Grund haben die KZBV und Bundeszahnärztekammer (BZÄK) gemeinsam mit dem Deutschen Hebammenverband (DHV) und dem Verband der Kinderzahnärzte, unter wissenschaftlicher Begleitung der Uni Greifswald, bereits im Jahr 2014 das Versorgungskonzept „Frühkindliche Karies vermeiden“ entwickelt. Damit wurde ein interdisziplinärer Ansatz zur Prävention vorgestellt, um gesetzliche Rahmenbedingungen für diesen Bereich zu erreichen.

 

Mit diesen zusätzlichen Vorsorge-Untersuchungen soll die Basis für eine dauerhafte Zahn- und Mundgesundheit von gesetzlich versicherten Kindern gesichert werden. Karies, Gingivitis, Zahnverlust und ihre Folgeerkrankungen lassen sich so vermeiden. Diese Empfehlungen der KZBV sollten alle Eltern mit kleinen Kindern möglichst regelmäßig wahrnehmen. Auch die Kinderärzte weisen bei den verpflichtenden U – Untersuchungen auf die zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen hin.

/// Früherkennungsuntersuchungen
Die Früherkennungsuntersuchungen auch FU genannt, beinhalten die Aufklärung von Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern. Dazu zählen Mundhygieneinstruktionen, Ernährungsberatung, Fluoridieren und regelmäßige zahnärztliche Kontrollen.

Seit dem 1.7. 2019 gibt es erweiterte Abrechnungsbestimmungen, die auch für unsere ganz Kleinen ein wichtiger Schritt in der Kariesfreiheit sind.


/// Patientengruppen

  • Säuglinge, Kleinkinder und Kinder im Alter von 6 Monaten bis 6 Jahre
    Kleinkinder von 0-2 Jahren entwickeln sich rasant und schnell werden schlechte Angewohnheiten beim Essen, Trinken und Zähneputzen etabliert. Deswegen empfehlen wir, die Kinder frühzeitig an die Prophylaxe und an den Besuch beim Zahnarzt zu gewöhnen. Ein wissenschaftlich geprüftes Kinderprophylaxe- Konzept unterstützt Eltern bei dieser verantwortungsvollen Aufgabe – vom ersten Milchzahn bis zum Teenager.
  • Ablauf der Sitzung bei bis 2- jährigen Kindern nach dem ParoStatus-Konzept
    Ziel der Sitzung ist, Risiken frühzeitig zu erkennen und zu minimieren. Kinder in diesem Alter werden spielerisch und langsam an die Praxis gewöhnt. Einzelne Behandlungsschritte können möglicherweise aufgrund des kindlichen Verhaltens nicht durchgeführt werden. Bei manchen Kindern sind auch sog. Desensibilisierungs-Sitzungen sinnvoll, um Vertrauen aufzubauen und der Besuch in der Zahnarztpraxis eine positive Erfahrung für sie wird.

 

    • Einführungsgespräch mit den Eltern (Anamnese in Einführungsgespräch)
      • Häufigkeit der Nahrungsaufnahme
      • Häufigkeit zuckerhaltiger Speisen und Getränke
      • Systemische oder genetische Faktoren
      • Fluoridnutzung (lt. aktuellem Konsens 2019)
    • Visual Ginigva Index   
    • PCR Plaque-Index (wenn möglich)
    • Karies?
    • Reinigung/Politur (wenn möglich)
    • Empfehlung Mundhygieneprodukte (auch extra Zahnbürste für die Eltern)
    • Beratung Eltern und Recallplanung
    • Ausdruck für die Eltern mit individuellen Empfehlungen
    • Nächsten Termin vereinbaren

 

  • Ablauf der Sitzung bei bis 3-5 jährigen Kindern nach dem ParoStatus-Konzept
    Ähnlich sieht es bei Kindern von 3-5 Jahren aus. Auch hier beginnen wir mit dem Einführungsgespräch mit Kind und Eltern. Kinder im Alter von 3-5 Jahren sind häufig mutig und lassen sich meistens auch schon die Zähne anfärben und auch eine Reinigung ist häufig schon möglich.

    • Einführungsgespräch mit den Eltern (Anamnese in Einführungsgespräch)
      • Häufigkeit zuckerhaltiger Getränke und Speisen
      • Kieferorthopädische Behandlung?
      • Systemische oder genetische Faktoren
      • Fluoridnutzung (lt. Aktuellem Konsens 2019)
    • Visual Ginigva Index
    • PCR Plaque-Index
    • Karies?
    • Reinigung/Politur
    • Empfehlung Mundhygieneprodukte (auch extra Zahnbürste für die Eltern)
    • Demo und Übung der Putztechnik
                              K         = Kauflächen
                              A         = Aussenflächen       
                              I           = Innenflächen
                              PLUS  = Das Plus steht für das Nachputzen der Eltern.
    • Beratung (auch der Eltern) und Recallplanung
    • Ausdruck für die Kinder mit individuellen Empfehlungen
    • Nächsten Termin vereinbaren

Je nach Risiko können FU-Leistungen nach GKV abgerechnet werden und bei Bedarf auch Leistungen nach GOZ, diese müssen mit den Eltern vorher vereinbart werden.

Ab dem 6. Lebensjahr bis zum vollendeten 17. Lebensjahr greift dann die Individualprophylaxe. Auch hier gilt, Kinder mit erhöhtem oder hohen Kariesrisiko sollten deutlich häufiger zur Individualprophylaxe kommen – auch sollten je nach Recallhäufigkeit auch GOZ – Leistungen zum Ansatz gebracht werden. Gerade Kinder im Zahnwechsel brauchen temporär eine engere Recallfrequenz, die durch die GKV nicht abzubilden ist.

 

Bema

Leistung/ Gebührenziffer

Punkte

FU 1

Zahnärztliche Früherkennungsuntersuchung eines Kindes, vom 6. bis zum vollendeten 33. Lebensmonat jeweils eine
a) vom 6. bis zum vollendeten 9. Lebensmonat
b) vom 10. bis zum vollendeten 20.Lebensmonat
c) vom 21. bis zum 33. Lebensmonat

 27

FU Pr

Praktische Anleitung der Betreuungsperson zur Mundhygiene beim Kind

10

 

– nur im Zusammenhang mit FU 1

 

FU 2

Zahnärztliche Früherkennungsuntersuchung eines Kindes vom 34. bis zum vollendeten 72. Lebensmonat
– einmal je Kalenderjahr

25

FLA

Fluoridlackanwendung zur Zahnschmelzhärtung eines Kindes vom 6. bis zum vollendeten 72. Lebensmonat
–   vom 6. bis zum vollendeten 33. Lebensmonat
    Unabhängig vom Kariesrisiko: 2x je Kalenderhalbjahr
–   vom 34. bis zum vollendeten 72. Lebensmonat
    1x je Kalenderhalbjahr, bei hohem Kariesrisiko: 2x je Kalenderhalbjahr

14

 

/// Kreativität fast ohne Grenzen, Zaubersäckchen und Co.     
Kinder sind wissbegierig und lernen schnell – wenn man einen Zugang zu Ihnen gefunden hat. Hierbei spielen die Mitarbeiter eine besonders wichtige Rolle. Ein gewisses Maß an Empathie und Kenntnisse über die Besonderheiten der verschiedenen Altersgruppen sind unverzichtbar.
Das Ziel ist es, die Kinder frühzeitig an die Prophylaxe und den Besuch beim Zahnarzt zu gewöhnen. Die angesprochene Neugier als natürliche Verhaltensweise lässt sich gut als kommunikativer Türöffner nutzen, um das „Eis zu brechen“.  So kann man, neben der Intraoralkamera, auch mit einem kleinen Zaubersack, der individuell mit kleinen Überraschungen gefüllt ist, arbeiten. Mal kann er mit Muscheln, mal mit Zaubersteinen, mal mit Luftballons oder sonstigen kleinen Überraschungen gefüllt sein, die ertastet und erraten werden müssen. Eine Ablenkung von der ungewohnten Umgebung gelingt so fast immer und die Neugier, was sonst noch passiert, ist in der Regel geweckt. Auch Handpuppen gehören zur Ablenkung und Einstimmung in das kindgerechte Repertoire.

Eine weitere sinnvolle und entlastende Ergänzung stellt das Kinderkonzept des ParoStatus.de-Programms dar. Hierbei handelt es sich um ein computerunterstütztes Programm, welches ein professionelles Prophylaxekonzept in 4 Altersgruppen -Kleinkind, Kindergartenkind, Schulkind und Teenager- beinhaltet. Vom ersten Milchzahn bis zum Teenager werden die jungen Patienten dabei von Zahnritter Poldi, Zahnprinzessin Lilli und deren großer Bruder und Schwester als Leitfiguren begleitet und unterstützt. Ergänzend stehen kind- und altersgerechte Aufklärungsmaterialien zur Verfügung.          

/// Digitale Unterstützung   
Mit dem Programm ParoStatus.de (www.parostatus.de)steht ein System mit einem PA- und Kinderprophylaxekonzept zur Verfügung, das alle Altersgruppen, vom Kleinkind bis zum Erwachsenen mit den jeweiligen spezifischen Besonderheiten abdeckt.

Das integrierte Kinderkonzept steht unter dem Motto „Neugier wecken, Gesundheit schützen“ und wurde in Zusammenarbeit mit erfahrenen Praktikern, Universitäten und führenden Fachgesellschaften entwickelt. Der Grundgedanke ist dabei, dass Kinderzähne besondere Pflege brauchen und Eltern professionelle Unterstützung benötigen. Der Schutz vor Krankheit – insbesondere vor Karies – und das Erlernen von Mundhygienemaßnahmen stehen dabei im Zentrum. In jeder der 4 Altersgruppen (0 bis 2, 3 bis 5, 6 bis 11 und 12 bis 17 Jahre) wird der individuelle Focus auf Schutz und Motivation gesetzt, der in entsprechende Auswertungen und Empfehlungen mündet. Dem Behandler obliegt anschließend die praktische Umsetzung im Rahmen der Beratung der Eltern und Behandlung der kleinen Patienten. Ein Vorteil ist die immer wiederkehrende Systematik. Wie in einem Kreislauf werden, entsprechend der Altersgruppe, bestimmte Parameter abgefragt. Die dokumentierten individuellen Ergebnisse werden vom Programm nach wissenschaftlichen Kriterien bewertet. Auf dieser Grundlage wird ein individuelles Erkrankungsrisiko errechnet. Alle Behandler arbeiten nach dem gleichen System in einer gleichartigen Struktur, die aber trotzdem Platz für individuelle Besonderheiten lässt. Für die Erhebung und Dokumentation der Daten ist keine zusätzliche Assistenz erforderlich. Die Befundeingabe erfolgt sehr komfortabel per Fußsteuerung – es ist sinnvoll, bei der Behandlung der kleinen Patienten die Hände frei zu haben. Praxen profitieren zudem von der einheitlichen Vorgehensweise, da ein Behandlerwechsel nicht zwangsläufig zu einer Änderung der Behandlung führt. Mitarbeiter erhalten eine Orientierung samt Formulierungshilfen für die verschiedenen Behandlungs- und Beratungssituationen.

/// Fazit

Kinderzähne brauchen Pflege – von Anfang an. Das erweiterte Kinderkonzept mit den neuen) Abrechnungsbestimmungen unterstützt die Eltern und führt ganz sicher zu mehr Mundgesundheit.

Fest steht, Kinder sind die Patienten von Morgen. Um sie und ihre Eltern an die Praxis zu binden, ist der Aufbau einer vertrauensvollen und partnerschaftlichen Beziehung eine gute Grundlage. Zukunfts- und prophylaxeorientierten Zahnarztpraxen bietet sich hier die Möglichkeit weitere, auch wirtschaftlich interessante Entwicklungspotenziale zu erschließen bzw. zu optimieren. Für engagierte und motivierte Fachkräfte bieten sich interessante Spezialisierungsmöglichkeit.

 

  • AUTORINNEN

DH Simone Laumann
DH Karola Westrup

 

– KONTAKT

Deutsche Gesellschaft für Dentalhygieniker/Innen e.V.
Fasanenweg 14
48249 Dülmen

E-Mail: Fresmann@dgdh.de
Internet: www.dgdh.de