Wenn die Schwiegermutter Miteigentümerin wird – ein Testament kann viel verhüten!

 

„Du bist wohl verrückt geworden!“ hatte Anna bei ihrem ersten schweren Ehekrach ihrem Göttergatten angeschrien: „Natürlich tut es mir leid, dass dein Vater vor kurzem gestorben ist. Und ich weiß auch, dass in unserem neuen Haus Platz genug wäre, solange wir selbst keine Kinder haben. Aber wenn du willst, dass deine Mutter hier einzieht, ziehe ich aus!“

Dr. Dieter Riemer

 

Ein Jahr später verunglückte ihr Mann tödlich. Keine 30 Jahre war er alt geworden. In dem Alter macht man doch kein Testament! Wofür auch? Sie waren verheiratet und hatten noch keine Kinder. Da war doch klar, dass jeder Ehepartner der Erbe des anderen sein würde. In diesem Sinne schrieb Anna an das Amtsgericht, als die Aufforderung kam, sie möge für eine Berichtigung des Grundbuches sorgen. Das Grundbuchamt verlangte jedoch unerbittlich einen Erbschein, weil kein notarielles Testament vorlag.

 

Beim Notar verstand Anna die Welt nicht mehr: Sie konnte keinen Erbschein als Alleinerbin ihres Mannes bekommen. Der Notar erklärte ihr, dass immer dann, wenn keine Kinder vorhanden sind, die Eltern – nach diesen auch Geschwister oder Neffen und Nichten – neben einem Ehepartner gesetzliche Miterben sind, wenn kein Testament existiert. Da Annas Mann Einzelkind gewesen war, stand ihrer ungeliebten Schwiegermutter ein Viertel seines Nachlasses zu. Unglücklicherweise hatten sie ihr Haus auf einem Bauplatz errichtet, welchen der Mann von seinen Eltern allein geschenkt bekommen hatte. Damit gehörte der Schwiegermutter im Ergebnis ein Viertel von Haus und Hof.

 

Das gesetzliche Erbrecht von Eltern, Geschwistern oder Neffen und Nichten ist bei kinderlosen Ehepaaren wenig bekannt. Noch mehr verdrängen die Betroffenen ein ähnliches Problem, welches durch die letzte Reform des Nichtehelichenrechts entstanden ist. Seitdem 01.04.1998 sind neben einem Ehepartner nicht nur die gemeinsamen Kinder und eventuelle Kinder aus früheren Ehen, sondern gleichberechtigt auch nichtehelichen Kinder gesetzliche Miterben, denen insgesamt die Hälfte des Nachlasses zusteht. Oft wird die Existenz eines nichtehelichen Kindes von dessen Vater gegenüber seiner Ehefrau und seinen ehelichen Kindern verschwiegen. Darüber redet man(n) nicht.

 

Hätte im obigen Beispiel Annas Mann ein nichteheliches Kind aus einer frühen Beziehung gehabt, von der Anna nichts wusste, würde dieses Kind plötzlich nicht nur ein Viertel, sondern sogar die Hälfte des Grundstücks mit dem neuen Haus beanspruchen können.

 

Wäre das Kind minderjährig, würde es durch seine Mutter – die vielleicht selbst auf eine Ehe mit Annas Mann gehofft hatte – vertreten werden. Ob und welche Ansprüche Anna ggf. gegen das Kind hätte, weil zwar das Grundstück von ihren Schwiegereltern, aber das Geld zum Bauen von ihren eigenen Eltern kam oder sie Zins und Tilgung an die Bank zahlte, müsste sie dann mühsam und kostenträchtig mit Hilfe eines Rechtsanwalts klären. Bei einem minderjährigen Kind müsste zudem bei jeder Einigung über den Nachlass oder das Haus das Amtsgericht zustimmen.

 

Wenn daher Ehepaare keine Kinder haben oder einer von ihnen ein Kind aus einer anderen Beziehung hat, sollten sie so früh wie möglich ein gemeinschaftliches Testament errichten, falls sie verhindern wollen, dass beim Tode des Ehepartners aufgrund gesetzlicher Erbfolge dessen Kinder aus einer anderen Beziehung, die Schwiegereltern, Schwager und Schwägerin oder Neffe und Nichte direkten Zugriff auf das Haus und die Konten bekommen.

 

Durch ein Testament können gesetzliche Pflichtteilsansprüche zwar nicht verhindert werden. Ein Pflichtteilsberechtigter kann aber nur eine Auszahlung in Geld verlangen und hat kein Mitspracherecht bei einem Haus oder einer Eigentumswohnung. Sein Anspruch ist zudem nur halb so hoch wie der gesetzliche Erbteil, so dass man durch ein Testament schon mal die halbe Miete spart. Außerdem sind nur Eltern, Kinder oder Enkelkinder pflichtteilsberechtigt. Durch ein Testament werden daher Geschwister oder Neffen und Nichten vollständig vom Nachlass ausgeschlossen.

 

Wird ein Pflichtteilsanspruch mit dem vollen Programm (Auskunft, Wertermittlungsanspruch, notarielles Nachlassinventar, eidesstattliche Versicherung, Strafverfahren) geltend gemacht, kann das für den länger lebenden Ehepartner sehr belastend werden. Daher ist es den Versuch wert, ob die Pflichtteilsberechtigten auf beiden Seiten bereit sind, entweder auf ihr Pflichtteilsrecht zu verzichten oder sich schon zu Lebzeiten abfinden zu lassen. Derartiges muss vor einem Notar vereinbart werden. Privatschriftliche Vereinbarungen sind unwirksam und schützen den Längerlebenden nicht davor, ggf. beim Tode des Ehepartners noch einmal bezahlen zu müssen.

 

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Dr. phil. Dieter Riemer, Rechtsanwalt und Notar
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